Grafenau als Modellkommune vorgestellt
Bayern soll bis zum Jahre 2023 im öffentlichen Raum barrierefrei werden! Mit diesem Ziel hat die bayerische Staatsregierung Ende 2013 die Verantwortlichen auf allen Ebenen mobilisiert, im jeweils eigenen Wirkungskreis aktiv zu werden. Was muss in den Gemeinden geleistet werden, um den verschiedenartigen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung gerecht zu werden? Wie bindet man alle Bürger, vor allem aber die Betroffenen in Entwicklungsprozesse ein? Wo und wie kann man mit vertretbarem Aufwand am meisten erreichen?
Rund 60 Teilnehmer aus Politik und Verwaltung sowie zahlreiche Senioren- und Behindertenbeauftragte aus der Region waren der Einladung der Regierung von Niederbayern und der Stadt Grafenau in die Bauhütte nach Perlesreut gefolgt, zusammen mit Experten diese Fragen zu diskutieren. Grafenau ist eine von 16 Kommunen in Bayern, die von der Obersten Baubehörde ausgewählt worden waren, zusammen mit Bürgern und Behindertenvertretern modellhafte Vorgehensweisen zu entwickeln.
Erfahrungsberichte aus der Praxis für die Praxis – das war das Motto der Veranstaltung, zu der Bürgermeister Manfred Eibl als Hausherr und LBD Rolf-Peter Klar für die Regierung von Niederbayern die Gäste begrüßten.
Eingeleitet hat die Tagung zunächst Architektin Christine Degenhart von der Bayerischen Architektenkammer, die in einer sehr anschaulichen Präsentation zunächst die „trockenen“ Inhalte der für das Thema Barrierefreiheit relevanten, neuen DIN 18040 Teil 3 vortrug.
Für die Modellkommune Grafenau stellte Christine Engel vom verantwortlichen Architekturbüro anschließend die wesentlichen Ergebnisse vor. Sie informierte insbesondere über die ausführliche Bestandsaufnahme im gesamten Stadtbereich und die Bedeutung der Abstimmung des Prozesses unter den verschiedenen Beteiligten. So war neben der Stadt, dem Stadtrat und dem Planungsbüro auch eine Projektgruppe mit Vertretern unterschiedlicher Gruppierungen aus der Bürgerschaft eingebunden. Zudem fand ein Workshop statt, an dem sich alle Bürgerinnen und Bürger beteiligen konnten. Auch eine Studie der Lebenshilfe Grafenau, die parallel dazu lief, floss in die Bestands- aufnahme ein. Bürgermeister Max Niedermeier zeigte anhand einiger anschaulicher Schilderungen auf wie unbedacht Bürger oft agieren, beispielsweise wenn sie auf dem Gehweg parken, ohne sich über die Auswirkungen für Menschen mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen bewusst zu sein. Hier gelte es, bei sich selbst anzufangen und sensibler für das ganze Thema zu werden, resümierte er. Josef Bauer als Behindertenbeauftragter der Stadt veranschaulichte schließlich eingehend wie wichtig die Einbindung Betroffener in den Prozess war und appellierte an alle, die vor ähnlichen Aufgaben stehen: „Betroffene zu Beteiligten machen!“
In der anschließenden lebhaften Diskussion wurde deutlich: die Maßnahmen zur Verbesserung der Barrierefreiheit nützen uns allen, bei der Umsetzung geht Wirksamkeit vor Perfektion, Vieles erfordert gar keinen zusätzlichen Aufwand, sondern kann im Zuge ohnehin anstehender Umbaumaßnahmen abgehandelt werden. Und dort, wo trotz aller Anstrengungen eine vollständige Barrierefreiheit nicht erreicht werden kann, kann man mit etwas mehr Aufmerksamkeit und gegenseitiger Hilfe auch die verbleibenden Hürden nehmen. Eine Mahnung ging auch an die Adresse der Planer, man solle nicht immer nur der Ästhetik folgen, sondern in erster Linie der Funktionalität für die Nutzer.
Die Ergebnisse der Modellprojekte sowie umfangreiche fachliche Hilfen sind in 2 Broschüren zusammengefasst, die in gedruckter Form oder als Download bei der Obersten Baubehörde angefordert werden können.