Unternehmer fordern klare Corona-Regeln – Hintermann: „Wirtschaftliche Schieflagen vermeiden“

zurück zur Übersicht
20.09.2020
Passau

Eine erste vorsichtige Zwischenbilanz der Corona-Krise haben die Unternehmer im IHK-Gremium Freyung-Grafenau gezogen. Mit umfassendem Hygienekonzept und ausreichend Abstand trafen sich die Unternehmer um die Gremiumsvorsitzende und IHK-Vizepräsidentin Elisabeth Hintermann vergangene Woche zu einer Sitzung in der IHK-Geschäftsstelle in Passau. Im Gremium kommen Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größenklassen aus dem Landkreis zusammen – entsprechend breit war die Summe ihrer Erfahrungen mit Pandemie und Shutdown. „Viele der regionalen Betriebe haben die vergangenen Monate einigermaßen überstanden, einigen wenigen hatte die Pandemie sogar kaum Probleme gemacht, etwa im Baubereich oder in der IT. Es gibt aber genauso Unternehmen und Branchen, die es weiterhin sehr schwer haben, etwa in Bereichen wie Gastronomie und Hotellerie, Reise und Tourismus, Sport, Event oder Veranstaltungen.“ Aber auch in der Industrie laufe noch nicht alles wieder rund, betonte Hintermann und nannte allgemein den Export, den Maschinen- und Anlagenbau sowie insbesondere die Automobilindustrie. „Corona hat die Herausforderungen und den tiefgreifenden Wandlungsprozess in der Automobilbranche noch verstärkt“, sagte die Gremiumsvorsitzende. Dieses differenzierte Bild deckt sich mit den Umfragen und Bewertungen der IHK zur Krise: „Die Zeichen stehen auf Erholung, aber nicht auf Entwarnung“, mahnte IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner.

Einige der Unternehmer im Gremium gehen davon aus, dass die großen Schwierigkeiten erst noch kommen werden, etwa wenn Beschäftigte aus Kurzarbeit zurückkehren, aber Umsatz und Auftragslage weiterhin nicht angezogen haben. Die jetzt verstärkt genutzten Bank- oder Hilfskredite seien eine weitere Belastung und ein Bonitätshemmnis für Investitionen in der Zukunft. Dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängert werden soll, kritisierte das Gremium in diesem Zusammenhang deutlich – besser sei, sanierungsfähige Unternehmen zu retten, aber gleichzeitig die Geschäftspartner als Gläubiger eines von der Unternehmenspleite betroffenen Betriebs durch ein geordnetes Insolvenzverfahren zu schützen.

Sie trafen sich in Passau zum Austausch: (v.l.) IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner, die Vorsitzende des IHK-Gremiums Elisabeth Hintermann sowie ihr Stellvertreter Johannes HuberSie trafen sich in Passau zum Austausch: (v.l.) IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner, die Vorsitzende des IHK-Gremiums Elisabeth Hintermann sowie ihr Stellvertreter Johannes Huber


Das Instrument der Kurzarbeit wird von den Unternehmern im Gremium hingegen als sinnvoll und wichtig erachtet, um die Krise zu durchstehen, viele haben dieses Instrument genutzt. Allerdings sorge die Kurzarbeit in Verbindung mit der allgemein schwachen Wirtschaftsleistung beispielsweise auch für Lieferschwierigkeiten, was einen kraftvollen Neustart verhindere. Ebenso wurde das fehlende regionale wie internationale Messegeschäft von einigen Unternehmen als Problem genannt – gerade die im Landkreis stark vertretene Industrie vermisst diesen Vertriebskanal. „Allein mit Videokonferenzen kommen wir nicht in die Märkte hinein“, bekräftigte Hintermann. Mit Blick auf die Phase des Shutdowns kritisierten die Gremiumsmitglieder die teilweise schlechte Erreichbarkeit der Behörden. Speziell die Händler beklagten den Totaleinbruch während des Shutdowns – diese Verluste könne man nicht mehr aufholen. Andererseits haben beispielsweise die Modehändler von den gestiegenen Gästezahlen im Bayerischen Wald während der Sommerreisesaison profitiert, was die Rolle des Tourismus als „Querschnittsbranche“ verdeutlicht.

Besonders betroffen war gerade der Wirtschaftsraum Freyung-Grafenau zudem von den anfangs ebenso unklaren wie einschneidenden Regelungen zum Grenzübertritt, schließlich beschäftigen die heimischen Betriebe viele Mitarbeiter etwa aus der Tschechischen Republik. Für Hintermann war dies nur ein Beispiel dafür, wie schlechte Informationspolitik, Rechtsunsicherheit und Ungleichbehandlung die Krise für die Unternehmen noch verschärfen: „Die Politik muss alles dafür tun, wirtschaftliche Schieflagen zu vermeiden. Die Unternehmen brauchen faire und klare Regeln in der Corona-Pandemie sowie gute Standortbedingungen, um mit mehr Eigenverantwortung die Krise durchzustehen“, forderte die Gremiumsvorsitzende.

 


- SB


IHK für Niederbayern in PassauPassau

Quellenangaben

IHK für Niederbayern in Passau

Sie möchten Ihren Bericht regional bewerben?

Alle Informationen und Ihren Ansprechpartner finden Sie HIER.



Kommentare

Bitte registrieren Sie sich um hier Kommentare eintragen zu können!
» Jetzt kostenlos Registrieren oder haben Sie Loginprobleme?


Ähnliche Berichte

Stabile Auftragslage, aber vielfältige HerausforderungenWaldkirchen Die Betriebe aus dem Landkreis Freyung-Grafenau blicken nach schwierigen Jahren wieder optimistischer in die Zukunft. Das wurde bei der vergangenen Sitzung des IHK-Gremiums Freyung-Grafenau in den Räumlichkeiten des Modehauses Garhammer deutlich, bei der auch Landrat Sebastian Gruber als Gesprächspartner vor Ort mit dabei war.Mehr Anzeigen 15.04.2023Die meisten Hilfsanträge kommen aus dem GastgewerbeFreyung Seit Juli 2020 haben von der Corona-Krise betroffene Selbstständige, Betriebe und Einrichtungen aus dem Landkreis Freyung-Grafenau Zuschüsse in Höhe von 48,5 Millionen Euro erhalten.Mehr Anzeigen 18.05.2022Ausbildung in Gastro und Hotellerie: Hoffnung auf den AufholeffektPassau Die Corona-Krise und ihre Folgen für die berufliche Ausbildung – speziell in der Hotel- und Gaststättenbranche – war das zentrale Thema eines Austausches zwischen Politik und Wirtschaft.Mehr Anzeigen 24.06.2021Grenzkontrollen zu Tschechien belasten Wirtschaftsstandort erheblichPassau Mit der Einstufung unter anderem Tschechiens als „Virusmutationsgebiet“ gelten seit vergangener Woche deutlich verschärfte Regeln für die Einreise nach Deutschland – insbesondere dürfen aus solchen Gebieten nur noch Grenzpendler einreisen, die in „systemrelevanten“ Betrieben tätig sind.Mehr Anzeigen 22.02.2021Corona trübt die Ausbildungsbilanz, aber IHK steuert gegenPassau Für die berufliche Ausbildung war 2020 ein schwieriges Jahr – das zeigt der Rückblick der Unternehmen, das zeigt aber auch die Statistik der Ausbildung in den IHK-Berufen. Zum Stand 31. Dezember 2020 waren demnach im IHK-Bezirk Niederbayern 11.513 Auszubildende in den Betrieben aus Industrie, Handel, Dienstleistungen und Tourismus beschäftigt, ein erneuter Rückgang von 4,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.Mehr Anzeigen 22.01.2021Flächennutzung: Wirtschaft stellt sich gegen ObergrenzePassau 984 Quadratkilometer umfasst die Fläche des Landkreises FRG – wie wird diese Fläche derzeit genutzt und wie steht das im Verhältnis zu Gesamtbayern? Antworten suchte das IHK-Gremium im LK bei seiner Sitzung.Mehr Anzeigen 26.04.2018