Regionale Originale: Hannes Burger

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06.09.2015
Hinterschmiding, Sonndorf

Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes, des Bayerischen und Österreichischen Verdienstordens, der Bayerischen Verfassungs- und Umweltmedaille, er ist einer der Botschafter Niederbayerns und er ist vor allem seit vielen Jahrzehnten ein kritischer Begleiter und Betrachter der Geschehnisse im Bayerischen Wald: Hannes Burger.
Für manch einen Politiker mag er ein Querulant sein, doch der Journalist und
Schriftsteller ist ein Mann des offenen Wortes. Er spricht Missstände und
Versäumnisse dezidiert an. Und so kämpft er auch weiterhin für ein positives
Image des Bayerischen Waldes, einer Grenzregion, der sich seiner Ansicht nach im Dreiländereck viel mehr Möglichkeiten bieten würden, als sie bisher genutzt werden.

Im Gespräch mit WAIDLER.COM lässt er seiner Sicht der Dinge freien Lauf.

 

Herr Burger, vor 45 Jahren hat es Sie zum ersten Mal, nach Ihrer Kindheit bei der Oma in Haselbach, wieder in den Bayerischen Wald verschlagen. Das war ja auch so eine Art Startschuss.

Ja, 1970 sollte ich für die Süddeutsche Zeitung eine Weihnachtsreportage aus Mitterfirmiansreut zum Thema „Strukturwandel eines Dorfes“ machen. Das musste man sich als Münchner erst einmal vorstellen: Ein Holzhauer-Dorf machte jetzt auf Tourismus. 1959 bekamen die Häuser dort erst Strom, der Bürgermeister musste seine Schäfchen überzeugen, Strom und Wasser aus der öffentlichen Versorgung zu nehmen.1962 kam dann der erste Motor-Schneepflug bis nach Mitterdorf und 1970 hatte man schon fünf Skilifte. Seitdem habe ich mich mit dem Thema Tourismus beschäftigt. Als ich dann für die SZ als Korrespondent aus Wien und Österreich berichtete, kam ich im Urlaub immer wieder in den Bayerischen Wald. Insofern kann man meinen Werdegang zum Waidler so beschreiben: Erst als Reporter und Urlauber den Wald erlebt. Dann, als wir in Sonndorf ein Ferienhaus gekauft hatten, den Wald erwandert. Schließlich habe ich hier eingeheiratet und zur Krönung bin ich „Botschafter Niederbayerns“ für den Landkreis Freyung-Grafenau geworden. Für mich eine Ehre und Verpflichtung zugleich.

 

 

"Das Botschaftersystem ist eingeschlafen."

Botschafter Niederbayerns, das ist ein gutes Stichwort. Was tut sich denn beim Regionalmarketing Niederbayern, welche Beziehungen knüpfen denn die „diplomatischen Vertreter“ Niederbayerns?

Da tut sich derzeit fast gar nichts mehr. Das ist weithin eingeschlafen. Einige Landräte haben das Botschaftersystem quasi kaputt gemacht: Ehrentitel für vergangene Verdienste verliehen statt aktive Vertretung im Regionalmarketing außerhalb Niederbayerns. Den meisten war es wichtiger, eine Art Verdienstorden Dritter Klasse zu verleihen und lieber zahme Landkreis-Botschafter zu haben als international aktive niederbayerische „Diplomaten“, die auch einmal ihre Meinung sagen. Jeder Landrat versteht sich als „Gaugraf“. Das ist dieses permanente und weiterhin stark ausgeprägte Kirchturmdenken. Als ob zum Beispiel einen Urlauber der Landkreis interessieren würde! Egal ob er im Landkreis Freyung-Grafenau oder im Landkreis Regen Urlaub macht - er kommt in den Bayerischen Wald. Das alleine zählt.

 

Aber es tut sich doch was in der Region, Hochschul-Campi, die Initiative Donau-Moldau-Region …

Ach, hören Sie mir auf mit der Donau-Moldau-Region! Das ist doch ein Bürokratie-Witz der EU, mehr ein Beamten-Ausflugsprogramm. Die verfügen 25 Jahre nach der Grenzöffnung noch nicht einmal über ausgebildete Dolmetscher für Deutsch-Tschechisch, geschweige denn über eine Simultan-Anlage mit Kopfhörern für zweisprachige Veranstaltungen. Bis heute gibt es etwa noch keinen Festspielkalender für Veranstaltungen über der Grenze. Jedes Nest hat sein eigenes Fest: Panduren, Säumer, Goldener Steig. Drachenstich, Passionsspiele, Volksfeste etc.. Was ist da so schwierig, einen gemeinsamen Flyer, ein zweisprachiges Plakat zu machen für Touristen rund um den Böhmerwald? Damit die Touristen wissen: Egal wann ich komme, es ist immer irgendwo was los in der Region.

 

 

"Die Technologie-Campi tun der Region gut."

Und was die Technologie-Campi betrifft?

Natürlich ist es gut, dass die Hochschule Deggendorf raus in die Region geht. Ich habe mich als Botschafter auch massiv dafür eingesetzt. Die Uni Passau dagegen, so scheint mir, igelt sich hinter den fürstbischöflichen Mauern und zwischen den drei
Flüssen arrogant ein. Dabei gäbe es viele Studiengänge, die man leicht auch in
die nähere Region auslagern könnte. Wir haben gerade in kommunalen Verwaltungen
immer noch zu wenige ausgebildete Touristiker, studierte Kulturreferenten oder Berufs-Journalisten als Pressesprecher. Da sind noch viele Hobby-Touristiker am Werk, viele Verwaltungsbeamte sollen ohne Ahnung Medienarbeit betreiben! Wir brauchen aber echte Profis. Spezialisten, die Tourismus, Kultur und Medienarbeit kombinieren können.

Viele Firmen suchen Fachkräfte, finden aber keine wegen des nach wie vor bescheidenen Images der Region. Ich kenne Firmen, die haben kein Problem, Mitarbeiter für Zweigstellen in München zu finden, aber zum Hauptsitz in Freyung will keiner, da heißt es: ‚Kommt doch mit der ganzen Firma nach München!‘ Man muss den Menschen vermitteln, dass sie hier nicht am Grenzzaun verloren sind und ihre Frauen nicht als Försterliesl am Waldesrand verdorren. Tatsache ist, dass wir noch eine gute Bildungs- und Gesundheits-Infrastruktur haben, eine Vielzahl von kulturellen
Angeboten, eine hohe Freizeit- und Lebensqualität und natürlich eine wunderbare
Natur- und Kulturlandschaft. Aber das muss man auch nach außen über die Medien vermitteln, nicht geheim halten!

 

Malen Sie nicht etwas zu schwarz?

Nein, denn in den letzten 40 Jahren hat sich wahrlich vieles zum Positiven entwickelt. Aber ich habe mir auch Feinde gemacht – Erwin Huber beispielsweise – indem ich die Wahrheit offen ausgesprochen habe: Die von ihm mit Recht hochgelobte „Aufsteiger-Region Niederbayern“ besteht nur südlich der Donau und in den kreisfreien Städten. Aber nicht nördlich der Donau. Niederbayern ist mehr, dazu gehört eben auch der Bayerische Wald, das Grenzland als „Aufhol-Region“ und „Abwanderungs-Region“. Heute ist doch das Dreiländereck faktisch tote Hose. Es gibt keine einzige durchgehende Bahnverbindung von Niederbayern nach Tschechien. Wir haben gerade einmal zwei befahrbare Grenzübergänge mit nur einer Bundestraße. Und das 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs! Im neuen Verkehrs-Ausbauplan zwischen München und Prag kommt Niederbayern überhaupt nicht vor! Aber wir sind im Dreiländereck eine attraktive Fremdenverkehrsregion, ein Industriestandort und eine Technologieregion, die sich aber alle nur gemeinsam mit
grenzüberschreitender Infrastruktur weiter entwickeln können. München-Landshut-Passau-Freyung-Budweis oder Deggendorf-Regen-Pilsen da geht doch so gut wie nichts voran! Von wegen Donau-Moldau-Region! Wir sind halt die Braven.

 

 

"Ich meine es doch nur gut."

Sie ecken mit Ihren Meinungen durchaus mal an.

Meine Bayerwald-Oma hat auch in der Nazi-Zeit immer gradaus gesagt: „Du geh nur her, Dir sag’ is scho!“  Vor 20 Jahren habe ich als Erster geschrieben – und als Erster kriegst Du immer Prügel! - dass die drei Gymnasien im Landkreis eine Abschussrampe für die junge Intelligenz der Region sind. Dann wurde es mir so ausgelegt, als hätte ich was gegen die Gymnasien. Dabei will ich nur, dass jungen Leute nach Studium und Ausbildung in ihre Heimat zurückkommen können, denn viel zu wenige derer, die studieren, kommen zurück und gründen Familien. Sie kappen irgendwann ihre Nabelschnur zur Heimat. Wir müssen sie mit aktuellen Infos zu Job-Angeboten, Schulen, Gesundheits-Infrastruktur, Sport, Kultur und Immobilien  etc.
versorgen. Das Regionalmanagement macht das ja mittlerweile sehr gut, aber halt
mit Verspätung. Dafür sollten aber auch Niederbayern-Botschafter überall dort aktiv
werben, wo sie von Berufs wegen zu tun haben – wie das vor 10 Jahren üblich war.


Zum Abschluss, Herr Burger, eine Empfehlung von Ihnen an die Waidler?

Meines Erachtens sind viele Bürgermeister hier zu bescheiden, denken zu kleinkariert und noch zu kleinräumig. Ein Landtagsabgeordneter sagte mir einmal, dass zum Beispiel bei der Kulturförderung von den meisten Gemeinden Anträge unter 5.000 € eingereicht würden. Gefördert werden aber fast nur Beträge, die über dieser Grenze liegen. Das heißt, die Kommunen müssten sich für ein oder mehrere ähnliche Projekt
zusammentun, um eine Gesamt-Förderung zu erhalten. Die ILE „Ilzer Land“ ist
dafür ein Vorbild. Das gilt auch für andere Bereiche. Kleinvieh macht zwar auch
Mist, aber zum Zuschuss-Betteln für Kleinkram braucht man keine Euregio! Seit
gut 20 Jahren verfolge ich die quälenden Diskussionen für und wider die Ilztal-Bahn. Solange das „Bähnle“ nicht zu einem grenzüberschreitenden 100.000- Euro-Erschließungs-Projekt zwischen Passau und Budweis wird, interessiert das doch weder in München noch in Prag einen Minister! Womit wir wieder beim Kirchturmdenken und der Kleinkariertheit wären.

 

Vielen Dank, Herr Burger.

 

 


Serie: Regionale OriginaleEin Original ist eine Person, die über Gemeinde-, vielleicht sogar Landkreisgrenzen hinaus bekannt ist. Einige dieser Menschen möchten wir Dir im Rahmen dieser Serie präsentieren.

Quellenangaben

Fotos: Stephen Hahn

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