Regionale Kunst und Handwerk: Erwin Schmierer, Glasgravur

zurück zur Übersicht
22.07.2015
Spiegelau, Beiwald

Glasobjekte sind unvergänglich, es sei denn, sie brechen. Einen „ewigen Werkstoff“ nennt Erwin Schmierer aus Spiegelau seinen Werkstoff, das Glas. Er vergilbt nicht, setzt keine Patina an. Der ausgebildete Glasgraveur Schmierer kommt vom klassischen Glashandwerk und hat sich in den letzten 15 bis 20 Jahren zu dem entwickelt, was er heute ist. Nachdem er zunächst hauptsächlich Präzisionsgravuren und Kupfergravuren anfertigte, bewegte er sich immer mehr vom normalen Hochschnitt zum vollplastischen, also dreidimensionalen Hochschnitt.

Im Interview mit WAIDLER.COM spricht Erwin Schmierer über seine speziellen Techniken der Glasbearbeitung.

 

Herr Schmierer, eine Ihrer Haupttechniken ist die Diatrettechnik. Was können wir uns darunter vorstellen?

Hierbei handelt es sich um eine altrömische Technik. Ich habe sie mir autodidaktisch beigebracht. Die Bezeichnung Diatret leitet sich von dem griechischen Wort "diatreton" ab, was ‚durchbrochen, durchbohrt‘ bedeutet und damit auf die äußerst aufwendigen Durchbrüche an den Glasgefäßen hinweist. Es ist für mich der Gipfel des Glasschliffs. Bei dem abgebildeten Diatretglas wurde das Motiv wie ein Relief heraus geschnitten, so dass es erhaben stehen bleibt. Der nächste Schritt war das Hinterschleifen, wobei das Motiv, abgesehen von tragenden Stegen, vom Grundglas abgelöst wurde. Abschließend wurden das Innengefäß sauber geschliffen und die Netzkanten poliert.

 

Fischdiatret

 

Die Techniken, die Sie anwenden, bauen aufeinander auf. Sie zeugen also immer wieder von Ihrer ganz persönlichen handwerklichen Weiterentwicklung.

Genau so ist es. Aufbauend auf die Diatrettechnik entwerfe ich Drehobjekte. Ein Drehobjekt besteht aus ca. 100 Glasscheiben, die auf einer Metallwelle montiert sind. Diese Scheiben, und auch ganze Blöcke, sind speziell gelagert und somit um 360° drehbar. Der Betrachter kann das Objekt also nicht nur ansehen wie andere Kunstwerke, sondern er kann unzählige Figuren daraus formen. Und somit, wenn er will, vom Betrachter zum Künstler werden. Manchmal elegant, gerade und schlicht, dann wieder verspielt spiralförmig oder ganz durcheinander und somit sehr strukturell und lebendig.

 

"Verdreht"

 

Diese beiden Techniken erfordern eine hohe Präzision bei der Arbeit. Beim Glasguss hingegen geht es mehr um das Modellieren, das „freie“ Arbeiten, oder?

Ja, beim Glasguss kann ich auch umsetzen, was mir am Herzen liegt, auf der Seele brennt. Es hat was Therapeutisches. Manchmal reizt mich etwas Ästhetisches wie ein Akt, manchmal die Kreation eines freien, abstrakten, verfremdeten Objektes. Am Anfang der Glasgusstechnik wird aus einem speziellen Wachs eine Skulptur modelliert. Dann wird von diesem Modell eine feuerfeste Form gebaut. Diese Form besteht aus Gips und Schamott. Schließlich wird das Glas in die Form eingeschmolzen. Weil bei diesem Verfahren Wachsmodell und Schamottform immer zerstört werden müssen, nennt man diese Methode "die Technik der verlorenen Form". Viele Gussarbeiten sind rückseitig geschliffen und poliert, so dass diese bei genauer Betrachtung einen 3D-Effekt haben.

 

Fremde Schöne

 

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Glasobjekte von Erwin Schmierer sind u. a. im Herbst im Röcklturm in Landshut und im nächsten Jahr im Handwerksmuseum in Deggendorf zu besichtigen.

 

 

 

 

X


Serie: Kunst & HandwerkQualität statt Quantität - Kunst und Handwerk aus der Region sind wieder beliebter, denn je!

Quellenangaben

Fotos: Erwin Schmierer, Stephen Hahn

Sie möchten Ihren Bericht regional bewerben?

Alle Informationen und Ihren Ansprechpartner finden Sie HIER.



Kommentare

Bitte registrieren Sie sich um hier Kommentare eintragen zu können!
» Jetzt kostenlos Registrieren oder haben Sie Loginprobleme?


Ähnliche Berichte

Regionale Kunst und Handwerk: Kreativgarten Tobias LagerbauerSpiegelau (Klingenbrunn) Kreatives aus Edelstahl mit Glas und Stein schaffen – diesen künstlerischen Anspruch hat sich der 32-jährige Tobias Lagerbauer aus Klingenbrunn gesetzt. In seinem Kreativgarten kann man die vielen Unikate des Handwerkers und Künstlers bestaunen.Mehr Anzeigen 11.09.2018Glas aus der Glasfachschule als PublikumsmagnetRegen Vitreografie – Glasdruck war der große Hit am Stand der Glasfachschule Zwiesel im Rahmen der Internationalen Handwerksmesse, kurz IHM, die am Dienstag zu Ende ging.Mehr Anzeigen 17.03.2018Bayerwald-Delegation besucht BurgenlandkreisIm Frühjahr dieses Jahres wurde sie in Haidmühle der Öffentlichkeit vorgestellt und eingeweiht - die Rede ist von der Glasarche 3 des Frauenauer Künstlers Ronald Fischer. Der Landrat des Landkreises Freyung-Grafenau, Sebastian Gruber, und die Haidmühler Bürgermeisterin Margot Fenzl waren damals live dabei.Mehr Anzeigen 20.10.2016Regionale Kunst und Handwerk: Mark AngusFrauenau Mark Angus ist ein Stained Glass Artist: Seine Arbeiten sind expressive Malerei mit Glas und farbigem Licht.Mehr Anzeigen 02.08.2015Regionale Kunst und Handwerk: Rainer Metzger, MalerFrauenau Der gelernte Glasmaler Rainer Metzger lässt sich bei der Kreation seiner Glasobjekte und Bilder von der Magie des Augenblicks leiten.Mehr Anzeigen 19.06.2015Regionale Kunst und Handwerk: Glasmuseum FrauenauFrauenau Regionale Identität auf höchstem Niveau: Das Glasmuseum Frauenau widmet sich der großen Tradition der Glaskunst und des Glashandwerks im Bayerischen Wald und darüber hinaus.Mehr Anzeigen 03.03.2015