Regionales Handwerk: Christian Haidl, Uhrenarmbänder

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28.11.2018
Röhrnbach, Kumreut

In seiner kleinen Werkstatt in Kumreut fertigt Christian Haidl Uhrenarmbänder aus Leder. Exotische Ledersorten hat er in seinem Sortiment, besonders beliebt sind auch Vintage-Armbänder, die aus alten Militärtaschen hergestellt werden. Im Interview mit WAIDLER.COM gewährt Christian Haidl tiefe Einblicke in sein abwechslungsreiches Handwerk.

 

Wie sind Sie zum Sattlerhandwerk gekommen?

Zum Sattlerhandwerk bin ich eher durch Zufall gekommen. Um etwas weiter auszuholen: Ich interessiere mich generell für alles was alt ist und irgendwann vor vielen Jahren sehr hochwertig produziert wurde. Diese Leidenschaft habe ich vermutlich meinem Vater zu verdanken, mit dem ich schon in jungen Jahren alte Traktoren, Motorräder usw. restauriert habe. Hier habe ich natürlich auch einige Grundkenntnisse der Metallbearbeitung erworben und kann daher auch einigermaßen gut mit Drehbank und Fräsmaschine umgehen. Auf einem Flohmarkt habe ich dann einmal eine alte Schweizer Magazintasche aus dem zweiten Weltkrieg gefunden. Da die Nähte der Tasche sowieso schon halb kaputt waren, habe ich den Flohmarktfund zerschnitten und im Internet recherchiert, was man denn alles aus Leder machen könnte und klein genug ist, damit mir mein Lederstück der alten Tasche reicht. Die Idee für mein erstes Uhrenarmband war also geboren. Montiert hatte ich dieses anfangs natürlich an einer nicht gerade wertvollen Modeuhr. Der Herstellungsprozess des ersten Bandes war so interessant, dass ich kurz darauf nach neuem Material suchte und mir ein guter Freund einige alte, nicht mehr brauchbare Militärtaschen zur Verfügung stellte. Schnell war klar, dass mir ein Küchenmesser und eine Nähnadel aus dem Nähkästchen meiner Mutter nicht mehr ausreichen, um meinem neu gewonnenen Hobby nachzugehen. Leider sind alte Sattlerwerkzeuge jedoch nicht einfach zu bekommen und wenn, dann nur zu hohen Sammlerpreisen. Aus diesem Grund musste ich mir erst einmal diverse Lederwerkzeuge herstellen. Nun konnte ich also auch von meinen Kenntnissen über die Metallverarbeitung profitieren. Eine Maschine zum Ausdünnen von Leder, einen Riemenschneider und diverse Ahlen (Werkzeug zum Stechen und Weiten von Löchern, Anm. der Red.) habe ich mir also zu Beginn selbst gebaut. Nach und nach habe ich dann meine Sattlerausstattung um seltene, alte Sattlerwerkzeuge erweitert.

 

Was fasziniert Sie an dem Rohstoff Leder?

Leder ist ein faszinierendes Naturprodukt, das man mit einfachen Mitteln verformen und verfärben kann. Es ist sehr vielseitig verwendbar und die Produkte, die man daraus „basteln“ kann, sind unzählbar. Mich fasziniert dabei der Prozess, wie man aus einer Lederhaut ein Produkt für den Alltag anfertigen kann und wie sehr diese Lederhaut währen dieses Herstellungsprozesses verändert wird. Man kann Leder schneiden, nassverformen, polieren, schleifen, prägen, gravieren, färben – es gibt einfach unzählige Methoden daraus etwas „Neues“ zu erschaffen. Zudem ist es natürlich auch sehr spannend, wenn man die Funktion eines ursprünglichen Lederartikels uminterpretieren kann und aus einem alten Baseballhandschuh, aus einer kaputten Patronentasche, oder einem alten Football einen täglichen Gebrauchsgegenstand herstellt, den man dann zusammen mit einer schönen Uhr am Handgelenk trägt.

 

Können Sie den Herstellungsprozess kurz skizzieren, welche Arbeitsschritte sind notwendig, welche alten Werkzeuge setzen Sie ein?

Wenn die richtige Lederauswahl getroffen ist und ich die Wunschmaße meines Kunden habe, dann schneide ich zuerst einmal das Leder in Streifenform. Selbstverständlich verwende ich auch hier alte Sattlermesser, da man diese im Vergleich zu neuen Billigmessern noch vernünftig schärfen kann. Mit stumpfen Messern kann man bei diesem Handwerk sehr wenig anfangen. Im nächsten Arbeitsschritt werden die Lederstreifen verklebt. Meine Bänder haben danach je nach gewünschter Banddicke und Lederauswahl zwei bis drei Lagen. Aal- oder Froschleder mit einer Stärke von weniger als einem Millimeter benötigt beispielsweise eine zusätzliche Lederschicht. Nach dem Verkleben werden die Bänder zur endgültigen Form zurechtgeschnitten und die Ränder geschliffen. Anschließend wird die Naht mit einem alten Prickrad markiert und die Nahtlöcher gestanzt. Genäht wird dann selbstverständlich von Hand mit zwei Nadeln, um dem traditionellen Sattlerhandwerk gerecht zu werden. Am Schluss werden die Ränder des Bandes poliert und das Band mit Lederfett versiegelt.

 

Woher beziehen Sie den Rohstoffe Leder?

Je nach Art des Leders habe ich unterschiedliche Bezugsquellen. Alle meine Häute sind vegetabil gegerbt und die Exotenleder haben eine Cites-Zertifizierung (Washingtoner Artenschutzübereinkommen von 1973, Anm. der Red.). Meine Störleder sind zum Beispiel ein Abfallprodukt der Kaviarindustrie. So finden auch diese noch eine sinnvolle Verwendung und werden zu einem hochwertigen Produkt weiterverarbeitet.  Zusätzlich zu den neu gekauften Lederhäuten habe ich über die Jahre eine große Anzahl an Militärledertaschen zusammengetragen, welche ich zu Vintage-Uhrenbändern verarbeite. 

 

Was zeichnet die einzelnen Sorten aus?

Die verschiedenen Ledersorten sind sehr unterschiedlich zu verarbeiten. Vor allem Dehnbarkeit und Härte des jeweiligen Leders spielen dabei eine wichtige Rolle. Bei der Lederauswahl muss also auch bereits berücksichtigt werden, welchen Härtegrad das Uhrenband am Schluss haben sollte. Zu weiche oder zu harte und spröde Leder sind nur bedingt für ein gutes Uhrenarmband geeignet. Da ich viele meiner Leder auch selbst färbe, muss ich auch darauf achten, dass die Färbbarkeit von Sorte zu Sorte unterschiedlich ist. Vor allem bei Farbverläufen muss man berücksichtigen, dass beispielsweise Fischleder im Vergleich zu Rindsleder, durch seine längeren Lederfasern, schneller Farbe zieht und diese daher weiter ins Leder eindringt. Gute Uhrenarmbänder lassen sich aus vielen verschiedenen Ledersorten herstellen. In meinem Programm habe ich beispielweise Rindsleder, Schweinsleder, Schafsleder, Känguruleder, Aalleder, Welsleder, Störleder, Barschleder, Lachsleder, Rochenleder, Haileder, Krötenleder, Straußenbeinleder, Schlangenleder, Krokodilleder, Echsenleder. Sehr speziell ist natürlich das Leder der alten Militärtaschen. Dieses verwende ich hauptsächlich, um Vintage-Bänder anzufertigen, also Bänder, die aussehen, als wären Sie schon seit 50 Jahren an einer Uhr montiert. Neben Lederhäuten und Ledertaschen habe ich bereits einiges mehr zu Bändern verarbeitet. Gut eignen sich zum Beispiel alte Basebälle, Baseballhandschuhe, Footbälle. Zum Spaß habe ich vor einiger Zeit auch schon ein Band aus einem alten Gummistiefel gemacht.

 

Sind die Bänder Unikate oder gibt es auch so eine Art Serienfertigung?

Meine Bänder sind hauptsächlich Sonderanfertigungen im Kundenauftrag und daher gleicht kein Band dem anderen. Exotische Leder, wie beispielsweise das Störleder, sind in ihrem Format sehr klein, wenn man sie mit einer Rinderhaut von über drei Quadratmetern vergleicht. Die Streifen, die ich also aus diesen Lederstücken schneiden kann, sind von der Struktur her schon alle sehr individuell. Hinzu kommt dann natürlich auch noch eine unterschiedliche Farbgebung.

 

Eine Ihrer Spezialitäten sind Ammo-Bänder.

Ja. Ammo-Bänder sind Uhrenarmbänder, die aus alten Militärtaschen hergestellt werden. Sehr begehrt sind hier vor allem Bänder aus Schweizer Armeetaschen. Viele dieser Taschen haben Prägungen, die den Namen des Sattlers, das Herstellungsjahr und das Schweizer Armeesymbol zeigen. Hier versuche ich die Prägungen so gut wie möglich zu erhalten und in das Band miteinzuarbeiten. Leider werden diese Ammos mit den Schweizer Stempeln seit einiger Zeit auch schon gefälscht. Man muss also vorsichtig sein, wenn man darauf Wert legt, ein Band aus einer alten Militärtasche zu bekommen. Bei mir gibt es das Leder selbstverständlich nur im Original.

 

Welche Wünsche haben Ihre Kunden? Wie sieht der Beratungsprozess aus?

Die Wünsche meiner Kunden sind sehr unterschiedlich, der eine will ein giftgrünes Straußenbeinband mit auffälliger Naht, der andere will ein dezentes schwarzes Band, das gut zum Anzug passt. Meine Kunden kann ich eigentlich ganz grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen gibt es die Uhrensammler, die bereits einen Koffer voller Uhren zu Hause haben, zum anderen sind da noch die, die irgendwann einmal eine schöne Uhr geschenkt bekommen haben, lange für die „eine“ Uhr gespart haben oder eben noch ein altes Erbstück von Opa zu Hause im Schrank aufbewahren, das nun endlich auch an den Arm soll. Die Sammler und Uhrenkenner haben konkrete Vorstellungen, was Farbe, Bandstil, Maße etc. anbelangt, d. h. hier ist auch mein Beratungsprozess weniger umfangreich. Bei den Uhren- bzw. Uhrenbandneulingen bedarf es eher mehr Bratung. Ich gebe dann gerne Ratschläge welches Leder, welche Maße, welcher Bandstil am besten zu ihrer Uhr und zu ihrem Handgelenk passt. Da ich die meisten Aufträge überregional und international erhalte, erledige ich die Bestellungen hauptsächlich über E-Mail oder den Messanger diverser Online-Plattformen. Hier sende ich dann meinen Kunden auf Wunsch Bilder von passenden Lederstreifen, Nahtfarben, etc. zu. Auch die Kunden senden mir manchmal Bilder von Ihren Uhren, damit ich einen besseren Eindruck der Uhren-Band-Kombination bekomme.

Das „Band“ macht die Uhr und es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch hochpreisige Uhren ab Werk oft nicht mit einem Band ausgeliefert werden, das der Qualität und dem Look der Uhr gerecht wird. Hier komme dann ich ins Spiel und versuche natürlich jeder Uhr das perfekte Band zu verpassen. Lederauswahl, Lederfarbe, Nahtverlauf, Nahtfarbe, das alles sind Kleinigkeiten, die das gewisse Etwas bei einem Band ausmachen, damit es perfekt zur jeweiligen Uhr passt.

 

Sie fertigen auch Schließen. Was ist hier die handwerkliche Herausforderung?

Mit den Fortschritten bei der Herstellung meiner Lederbänder, brauchte ich natürlich irgendwann auch einmal eine vernünftige Uhr, um meine Arbeiten damit ablichten zu können. Meine erste hochwertige mechanische Uhr schenkte mir meine Frau zu Weihnachten 2013. Ab diesem Zeitpunkt war natürlich klar, es wird nicht bei der einen Uhr bleiben. Da die Bänder durch die Wahl unterschiedlicher Ledersorten immer individueller wurden, benötigte ich natürlich auch Uhren mit unterschiedlichem Charakter, die mir als Fotomodell für meine Armbänder dienten und mit denen ich meine Arbeiten auch im Internet präsentieren konnte. Schnell hatten sich bei mir also auch einige Uhren angesammelt. Immer mehr beschäftigte ich mich nun auch mit der Technik, die in diesen Uhren steckt und wie man das Ganze auch selbst bauen könnte. Es musste also langfristig eine kleine Fräsmaschine her, mit der ich mir selbst ein Uhrgehäuse bauen konnte. Der Zwischenschritt zum eigenen Uhrengehäuse waren Uhrenbandschließen aus Bronze, die ich nun ebenfalls im Kundenauftrag fertige. Die meisten dieser Schließen sind ebenfalls Unikate, in diese ich bereits alte Münzen, Patronenhülsen oder auch Goldnuggets eingearbeitet habe. Nachdem ich mich dann mit meiner neuen Fräsmaschine etwas angefreundet hatte, wurde dann das erste Uhrengehäuse aus Bronze angefertigt. Auch das Plexiglas, die Zeiger, das Zifferblatt und die Krone habe ich selbst gebaut. Das Einzige, das ich nicht selbst gebaut habe, war das Uhrwerk, das habe ich mir aus einer alten Taschenuhr entliehen. Mittlerweile habe ich etwa 10 Uhren selbst gebaut, manche davon schaffen eine Tauchtiefe von ca. 6.000 Meter. Seit etwa zwei Jahren sammle und restauriere ich auch alte Taucheruhren und Chronographen aus den 1960er und 70er Jahren. Bei reparaturbedürftigen Uhrwerken hilft mir ein befreundeter Uhrmachermeister, der sich wesentlich besser mit dem „Motor“ meiner Uhren auskennt als ich.

 

Woher kommen Ihre Kunden?

Der Uhren- und Uhrenbändermarkt ist vor allem über die sozialen Medien sehr gut vernetzt und es gibt zahlreiche Onlineseiten, auf denen über Uhren- und Bänderneuigkeiten diskutiert wird. Wenn man sich also darum bemüht, immer gute Qualität, begleitet von einer guten Beratung, abzuliefern, dann spricht sich das relativ schnell herum. Mittlerweile habe ich meine Bänder bereits in über 30 Länder verschickt und finde es immer wieder spannend, mich weltweit mit Uhrenliebhabern über Bänder und Uhren auszutauschen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.


CH-Vintage-StrapsKumreut
Serie: Kunst & HandwerkQualität statt Quantität - Kunst und Handwerk aus der Region sind wieder beliebter, denn je!

Quellenangaben

Fotos: Christian Haidl

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