„Nichts weniger als eine Revolution des Lageberichts“

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15.11.2023
Passau

Auf ihrer hochkarätig besetzten ersten Nachhaltigkeitskonferenz vermittelte die Best Business Association e.V. (BBA) alle wichtigen Informationen, die mittelständische Unternehmen zu den neuen EU-Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung wissen müssen. Obwohl die Zeit drängt, ist laut einer aktuellen Umfrage der BBA erst eine Minderheit der ostbayerischen Unternehmen darauf gut eingestellt.

„Der Zug hat den Bahnhof bereits verlassen, die Unternehmen müssen nun schauen, dass sie aufspringen und mitfahren.“ Mit diesen Worten präsentierte Andreas Schwarzhuber, Projektleiter und Initiator der 1. BBA Nachhaltigkeitskonferenz, die Ergebnisse der jüngsten BBA-Unternehmerumfrage. Deren Ziel war es, den aktuellen Umsetzungstand der Nachhaltigkeitsberichterstattung bei den Firmen in der Dreiländerregion zu ermitteln. Über 100 Unternehmen beteiligten sich im Herbst 2023 an der Umfrage. Demnach fallen 60,5 Prozent der Firmen eigenen Angaben nach künftig unter die EU-Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die ab 2024 schrittweise greifen wird; 29 Prozent sind nicht davon betroffen – und 10,5 Prozent der Befragten war zum Umfragezeitpunkt schlichtweg noch nicht bekannt, ob sie davon betroffen sein werden.

 

 

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen noch ein gutes Stück Arbeit vor sich haben“, resümiert Schwarzhuber. Denn derzeit erstellen erst 15 Prozent der Befragten Nachhaltigkeitsreportings auf freiwilliger Basis, die große Mehrheit (85 Prozent) dagegen noch nicht. Erst knapp die Hälfte der Befragten hat schon Einsicht in die Standards der CSRD genommen. Und nur knapp 35 Prozent haben bisher interne Strukturen zum ESG-Reporting aufgebaut, die Mehrheit noch nicht. Immerhin sieht eine Mehrheit der Befragten die Neuerung des ESG-Reportings eher oder klar positiv. Mit dem in Deutschland seit 2023 geltenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) hat bisher erst knapp die Hälfte Berührungspunkte gehabt.

Auf einer hochkarätig besetzten Konferenz in Passau vermittelte die BBA am 6. November alle wichtigen Informationen, die mittelständische Unternehmen zu den neuen Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichterstattung wissen müssen. „Damit haben wir einen Nerv getroffen, denn die Veranstaltung war schon seit langem ausgebucht“, freute sich Rudi Fellner, Präsident der Best Business Association (BBA) e.V., des bekannten grenzüberschreitenden Unternehmernetzwerks im Dreiländereck Deutschland, Österreich, Tschechien, in seiner Begrüßung.

 

 

„Manche Unternehmen sehen erst einmal nur eine überbordende Bürokratie auf sie zukommen“, sagte Fellner. Fakt sei aber: „Ohne gute Nachhaltigkeitsberichterstattung werden Unternehmen es künftig deutlich schwer haben, Mitarbeiter, Kunden und Banken zu finden, die ihnen Geld geben.“

Kapitalmarkt als Hebel für die Umsetzung des Klimaschutzes

Patricia Posch, Chief Sustainability Officer der Bayerischen Landesbank, erläuterte, dass der Kapitalmarkt als zentraler Hebel für die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens dient. Banken seien in Zukunft verpflichtet, Finanzierungsentscheidungen auch von Nachhaltigkeitsaspekten abhängig zu machen. Unternehmen seien gut beraten, sich darauf vorzubereiten.

 

 

Kristina Klinkforth von der Funk Consulting GmbH gab einen Überblick über die Gesetzesinitiativen auf nationaler und auf EU-Ebene und erläuterte die neuen Anforderungen: „Der Nachhaltigkeitsbericht wird dann ein integraler Bestandteil des Geschäftsberichts.“ Die CSRD greift schrittweise ab 2024. Ab 2025 sind Unternehmen, die zwei von drei Kriterien erfüllen, zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet: Sie haben 250 oder mehr Mitarbeiter, eine Bilanzsumme von mehr als 20  Millionen Euro und Umsatzerlöse von mehr als 40 Millionen Euro.

Große Herausforderungen wegen des Zeitdruck und der Themenfülle

Der Europäische Green Deals als Wachstumsstrategie liefert den Hintergrund für die CSRD. Demnach soll die EU der erste klimaneutrale Kontinent bis 2050 werden, erläuterte Prof. Dr. Christoph Pelger von der Universität Passau. Die neue Berichterstattungspflicht sei „nichts weniger als eine Revolution des Lageberichts“ und werde künftig auch verpflichtend extern geprüft. „Wegen des Zeitdruck und der Themenfülle stehen die Unternehmen vor großen Herausforderungen.“ Die CSRD setzt auf eine doppelte Wesentlichkeitsperspektive: Zum einen müssen Unternehmen die Wirkung von Nachhaltigkeitsaspekten auf ihre wirtschaftliche Lage ermitteln, zum anderen müssen sie die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Nachhaltigkeitsaspekte hin klar machen – beides auch in quantitativer Form.

 

 

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz mit unerwünschten Nebeneffekten

Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) in Wien, erläuterte in seiner Keynote, dass das heuer erst in Kraft getretene deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LKSG) künftig an neues EU-Recht angepasst werden müsse. Das Gesetz greift ab 2024 bereits für Unternehmen ab 1000 Mitarbeitende. Künftig, frühestens wohl ab 2026, werde es durch die durch die EU-Corporate Sustainability Due Dilligence Directive (CSDDD) abgelöst. In fast allen Lieferketten, vor allem, wenn Produkte oder Leistungen aus Ländern bezogen werden, die es mit den Menschenrechten und Umweltschutzstandards nicht so genau nehmen wie westliche Demokratien, lauerten Risiken, so Felbermayr. Es stelle aber ein Problem dar, dass Unternehmen für etwas haftbar gemacht werden, was sie nicht vollständig kontrollieren könnten. Das LKSG schaffe Anreize, dass sich Unternehmen vorsorglich von Lieferanten aus schwierigen Lieferländern trennten – womöglich auch von „sauberen“ Lieferanten.

Das wiederum führe zu einer Konzentration auf weniger Lieferanten, was für geringere Diversifikation der Lieferketten sorge und wiederum eigene Risiken etwa in puncto Versorgungssicherheit berge. Außerdem könne die Konzentration auf weniger Lieferanten die wirtschaftliche Lage in den Lieferländern verschärfen und dort ungewünschte soziale Auswirkungen haben. Überdies öffne der Rückzug aus kritischen Ländern Räume für geostrategische Rivalen, wie etwa China, für die die Einhaltung von Menschenrechten geringe Bedeutung hat.

 

 

„Riesige Berichtslücke“ selbst bei DAX-Konzernen

Prof. Dr. German Figlin von der Technischen Hochschule Nürnberg präsentierte Klimabezogene Aspekte in der Rechnungslegung. Er beklagte eine mangelnde Konsistenz zwischen den ESG-Darstellungen in Lageberichten und den harten finanziellen Fakten im IFRS-Anhang. „Da klafft eine riesige Berichtslücke!“. Selbst bei DAX-Konzernen spielten klimabezogene Aspekte im IFRS-Anhang gegenwärtig erst eine minimale Rolle. Er betonte, dass es bislang noch keinen einheitlichen Rahmen für Nachhaltigkeitsberichterstattung gebe. Milan Bláha, Vizepräsident der tschechischen Wirtschaftsprüferkammer gab einen Einblick in die gegenwärtige und künftige Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten.

Im Praxis-Teil der Veranstaltung gewährte Sandra Siedl, Leiterin des  Berichtwesen Nachhaltigkeit beim Baukonzern Swietelsky AG, Einblicke in ihre Arbeitspraxis. Und Frank Peters, CEO des Kunststoffherstellers Parat Technology Group, stellte im Detail die CO2-Bilanzierung seines Unternehmens vor.

Die Veranstaltung wurde abgerundet von einer Podiumsdiskussion, an der Dr. Robert Baumhof von der Linhardt GmbH & Co. KG, Sandra Siedl von der Swietelsky AG, Norbert Kytka von der T.Con GmbH & Co. KG sowie Sabine Rath von der Banner Group teilnahmen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Margit Märzinger.  Einmütiger Rat der Diskussionsteilnehmer: Wer nicht ohnehin schon begonnen hat, sollte mit dem Aufbau der Nachhaltigkeitsberichterstattung sofort beginnen und es zur Chefsache erklären. Denn die Crux liege in der Datenbeschaffung und Aufbereitung, vor allem, wenn es auch darum gehe, die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten von Vornherein mit zu berücksichtigen.

Das anschließende Get Together ab 18.30 Uhr im Café & Lounge Diwan gab den Teilnehmenden die Gelegenheit zum Networken. Nach dem großen Erfolg der Auftaktveranstaltung soll es 2024 eine Fortsetzung der Nachhaltigkeitskonferenz geben.


- JS



Quellenangaben

BBA e.V.

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