Einst waren sie ausgestorben, heute leisten Auerochsen einen wertvollen Beitrag bei der Beweidung von Renaturierungsflächen und einer extensiv betriebenen Viehwirtschaft. Bettina und Helmut Schmutzer züchten Auerochsen und vermarkten deren Fleisch direkt von ihrem Hof aus in der Nähe von Grainet.
Bettina und Helmut Schmutzer, wie kommt man denn auf die Idee, im Bayerischen Wald Auerochsen zu züchten?
Die Geschichte unseres Hofes geht bis in das Jahr 1864 zurück. Lange betrieben wir die Landwirtschaft nur noch im Nebenerwerb, unsere Flächen waren verpachtet. Vor gut zehn Jahren kam dann der Wendepunkt. Wir wollten wieder was mit Tieren machen. Nach langer Recherche stießen wir schließlich auf die Auerochsen.
Ihr Betrieb ist Bio-zertifiziert. Was bedeutet das konkret hinsichtlich der Tierhaltung? Welche Schmankerl vom Auerochsen gibt es?
Wir sind sogar der einzige zertifizierte Bio-Betrieb in Deutschland, der Auerochsen züchtet. Unsere Tiere sind das ganze Jahr auf der Weide, wir betreiben eine extensive und naturnahe Viehwirtschaft. Wir haben momentan etwa 30 Tiere: ein Zuchtstier, 10 Mutterkühe, der Rest sind Jungstiere und Kälber. Wir praktizieren Mutterkuhhaltung, d. h. die Kälber saufen etwa ein Jahr lang bei ihren Müttern. Unsere Auerochsen bekommen nur Gras und Heu von unseren eigenen Grünflächen zu fressen. Die Tiere sind also zu jeder Jahreszeit im Freien und in Bewegung. Im Herbst bzw. Frühjahr findet übrigens ein kompletter Fellwechsel statt. Das Fleisch ist vergleichsweise dunkel, fettarm, kurzfaserig und hat einen intensiven Eigengeschmack, der Richtung Wild geht. Wir schlachten fünf, sechs Tiere pro Jahr. Das macht dann etwa 800 kg Fleisch: Gulasch, Braten, Suppenfleisch, Tafelspitz, Filet, Lende. Alles, was das Herz begehrt. Dazu kommen noch verschiedenste Bio-Wurstwaren wie beispielsweise Salami, Lyoner, Wiener, Kochsalami, Grillwurst, Dosenwurst. Diese stellt die Metzgerei Brodinger aus Freyung für uns her.
Was ist das Besondere an der Rasse Auerochse, was kennzeichnet diese Tiere?
Der Auerochse oder Ur ist der Stammvater aller Hausrinder. Einst waren diese Wildrinder über weite Teile Europas, Asiens und Nordafrikas verbreitet. Vor über 300 Jahren ist der Auerochse, vom Menschen gejagt und durch die sich auf Kosten der Wälder ausbreitende Kulturlandschaft verdrängt, ausgestorben. Den Gebrüdern Heck gelang es durch Rückzüchtungen in den 1930er Jahren im Tierpark Hellabrunn in München bzw. im Zoologischen Garten von Berlin schon nach wenigen Generationen einen “Neuen Auerochsen” vorzustellen, der mit Ausnahme der Größe wesentliche Eigenschaften des Ur-Rindes aufwies. Mit der Auerochsenzucht bieten sich heute für uns interessante Möglichkeiten zur Extensivierung und Landschaftspflege. Der Auerochse ist ein Wildrind. Die Stiere sind etwa um ein Drittel größer als die Kühe. Die Tiere sind sehr robust, sie haben große Hörner und wirken sehr majestätisch. Es ist eine Rinderrasse, die sehr gut alleine zurechtkommt. Sie haben einen relativ hohen Widerrist, sind hochbeinig und weisen an den Vorderläufen starke Muskeln auf.
Vielen Dank für das Gespräch.