Holzdrahtproduktion im Bayerwald: Freilichtmuseum Finsterau eröffnet Sonderausstellung

zurück zur Übersicht
06.02.2024
Mauth, Finsterau

Bezirkstagspräsident spricht von „kleiner Sensation für die Region“

 

 

Eines der Prunkstücke der Ausstellung: Ein originaler Webstuhl, mit dem die Holzdrähte weiterverarbeitet wurden.

 

Einst überzog ein dichtes Netz an Holzdraht-Werkstätten den Bayerischen Wald. Viele Menschen lebten von der Herstellung der bis zu sechs Meter langen Stäbe aus Fichten- oder Tannenholz, exportierten sie teils bis nach Übersee. Doch im Laufe des 20. Jahrhunderts und fortschreitender Industrialisierung geriet das Handwerk fast in Vergessenheit. Heute wissen nur noch wenige um das Geheimnis der händischen Herstellung von Holzdraht. Ein Geheimnis, dem Franziska Oslmeier, wissenschaftliche Volontärin im Freilichtmuseum Finsterau, seit zwei Jahren nachgeht - mit großem Erfolg. Sie stieß auf so viele Objekte und Überlieferungen, dass sich das Freilichtmuseum im Frühjahr 2023 prompt entschloss, die Sonderausstellung „Hölzl Steckerl Staberl“ ins Leben zu rufen. Am Donnerstag eröffnete Bezirkstagspräsident und Vorsitzender des Zweckverbands Niederbayerische Freilichtmuseen, Dr. Olaf Heinrich, die besondere Ausstellung über die traditionsreiche Holzdrahtproduktion im Bayerischen Wald.

 

Die Highlights der Ausstellung: Ein originaler Webstuhl, den Franziska Oslmeier und ihre Kollegen mithilfe der Handweberei Moser aufstellten, motorisierte Hobelbänke und diverse Zündholzschachteln aus der Zeit vor und um 1900, die das Muzeum Šumavy Sušice als Leihgaben beisteuerte. Ursprünglich entstand die Holzdrahtproduktion als eine Errungenschaft der frühen Zündholzindustrie. Sie verbreite sich von Wien bis in den Bayerischen Wald, wo das Handwerk noch lange die Wirtschaft prägte und viele Männer und Frauen in die sogenannte „Stess“ zog – so hießen die Rundstabwerkstätten in den hohen Lagen des Mittelgebirges beiderseits der Grenze zwischen Bayern und Tschechien. Gerade in den arbeitsärmeren Wintermonaten besserten viele Landwirte ihr karges Einkommen mit der Herstellung von Holzdraht auf.

 

Zur Verfügung stellte den Webstuhl Margot Strohmeier, die das Handwerk noch beherrscht. Der Webstuhl stammt wohl aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

 

In den vergangenen Jahren gelang es dem Freilichtmuseum Finsterau, seine Sammlung um diese Facette der Holznutzung im Bayerischen Wald zu erweitern. Neue Bildquellen und interessante Objekte zeigen die notwendige Kraft und das handwerkliche Geschick, das das Holzdrahthobeln verlangt - und zeichnen das Bild eines eigentümlichen Kapitels der Wirtschaftsgeschichte der Region.

 

Franziska Oslmeier, die bei der Ausstellung zudem als Kuratorin fungiert, sagte bei ihrer Eröffnungsrede: „Die kleinen Dinge des Alltags in ein größeres Geschehen einordnen – so würde ich das Ausstellen im Museum im Kern beschreiben. Die kleinen Dinge lassen aber nicht immer erkennen, dass hinter ihnen Großes steckt. Das war auch hier der Fall, denn aus einem einzigen Hobel ist innerhalb von knapp zwei Jahren diese Ausstellung entstanden.“

 

Um Holzdraht herzustellen, musste das Holz extrem fein und gerade sein. Auch der Grad an Feuchtigkeit musste exakt passen, weshalb die Produktion von Holzdraht hohes handwerkliches Können und Wissen bedurfte.

 

Holzdraht reihe sich in ein umfangreiches Repertoire der Holzverarbeitung im Bayerischen Wald ein. Er bot eine breite Palette an Waren – von Zündhölzern bis hin zu Markisen und Rollvorhängen. Oslmeier weiter: „Der Holzdrahthobel revolutionierte in den 1820er Jahren die Arbeit in Zündholzfabriken. Ein einzelner Arbeiter konnte auf einen Zug hunderte Hölzer anfertigen, anstatt sie mühsam von Hand zu spalten. Es dauerte allerdings keine 30 Jahre, bis die sich stets wandelnden chemischen Rezepturen und die immer effizienteren Maschinen den Absatz der handgehobelten Hölzer zurückgehen ließen. Gut, dass man mit diesen Stöcken nicht nur Feuer machen konnte! Holzdraht ließ sich auch verweben. Halbtextile, rollbare Matten wurden in alle Welt verkauft – zum Schutz vor der Sonne Südfrankreichs oder gar Kaliforniens.“

 

Zum Glück, so Oslmeier, gebe es noch immer Menschen, die Holzdrahtproduktion selbst gelernt beziehungsweise beobachtet haben. „Aus ihren Werkstätten konnten wir viele interessante Objekte bergen, die alle einen Platz in der Ausstellung gefunden haben. Aber noch viel wichtiger: Wir haben die Chance, nach Zusammenhängen zu fragen und Prozesse zu erproben, um das Handwerk besser zu verstehen und für unsere Besucher aufzubereiten.“

 

Für die tolle Ausstellung bedankte sich Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (links) bei Ernst Herzig (2. v. l), Alfred Fruth (Mitte) und Margot Strohmeier (rechts), die maßgeblich am Erfolg der Ausstellung mitgewirkt haben. Ein besonderer Dank galt außerdem Kuratorin Franziska Oslmeier, deren Engagement die Sonderausstellung erst ermöglichte.

 

Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich zeigte sich sehr angetan von der Ausstellung und der alten Handwerkskunst: „Was sich hinter dem Titel ,Hölzl Steckerl Staberl‘ verbirgt, ist eine kleine Sensation für die Region.“ Sie zeige, wie wichtig Museumsarbeit gerade auch im ländlichen Raum ist. „Für die Ausstellung wurde viel Wissen gehoben, das fast schon in Vergessenheit geraten war. Ohne das Freilichtmuseum Finsterau, ohne unsere engagierte junge Mitarbeiterin Franziska Oslmeier, ohne das tolle Team hier vor Ort und die weiteren Informanten in der Region wäre das alles, was Sie heute hier sehen, womöglich in wenigen Jahren vergessen gewesen“, so Dr. Heinrich. „Der Erhalt des materiellen und immateriellen Erbes in den ländlichen Regionen Niederbayerns ist die Aufgabe unserer beiden Freilichtmuseen.“ Das sei hier mehr als gelungen.


- JS


Bezirk NiederbayernLandshut

Quellenangaben

Bezirk Niederbayern
Bildquelle: Fotostudio Eder

Sie möchten Ihren Bericht regional bewerben?

Alle Informationen und Ihren Ansprechpartner finden Sie HIER.



Kommentare

Bitte registrieren Sie sich um hier Kommentare eintragen zu können!
» Jetzt kostenlos Registrieren oder haben Sie Loginprobleme?


Ähnliche Berichte

Freilichtmuseum Finsterau plant energetische Sanierung der EingangshalleMauth (Finsterau) Die Verbandsversammlung des Zweckverbands Niederbayerische Freilichtmuseen genehmigte Vorplanungsaufträge für die energetische Sanierung des Eingangsgebäudes im Freilichtmuseum Finsterau. Das Gebäude weist einen Instandsetzungsbedarf auf, insbesondere das mit Blech eingedeckte Dach.Mehr Anzeigen 26.03.2024„Kunst für die Kunst“ – Galerie Wolfstein eröffnet Ausstellung mit den Kunstmappen der Stiftung WolfsteinFreyung Die Galerie Wolfstein eröffnet die neue Museumssaison mit der Sonderausstellung "Kunst für die Kunst - Einblicke in die Arbeit der Stiftung Wolfstein". Die Vernissage findet am 22. März um 19 Uhr statt. Die Stiftung wurde 2005 gegründet und präsentiert Original-Druckgrafiken lokaler Künstler sowie weitere Kunstwerke.Mehr Anzeigen 16.03.2024LandLeid: Ganz besondere Bilder aus dem WoidMauth (Finsterau) „LandLeid – Fotografien von Land und Mensch aus dem Bayerischen Wald“ heißt die neue Sonderausstellung im Freilichtmuseum Finsterau, die Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich am Dienstag, den 23. Mai, feierlich eröffnet hat.Mehr Anzeigen 28.05.2023Wenn’s staader wird: Rauhnächte, Brauchtum und Aberglaube im Bayerischen Wald – Lange Museumsnacht im Freilichtmuseum FinsterauMauth Die letzten bunten Blätter fallen von den Bäumen, die Tage werden kürzer, die Dunkelheit nimmt überhand – der Herbst ist eingekehrt im Bayerischen Wald und mit ihm beginnt die Zeit der Rauhnächte, in denen Waldgeister und Hexen ihr Unwesen treiben.Mehr Anzeigen 29.10.2022Richtfest des Paul-Friedl-Geburtshauses im Freilichtmuseum FinsterauMauth (Finsterau) Am Kirchweihmontag fand das Richtfest des Paul-Friedl-Geburtshauses im Freilichtmuseum Finsterau statt. Verbandsvorsitzender und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich begrüßte dazu neben Landrat Sebastian Gruber, dem Ersten Bürgermeister der Gemeinde Mauth, Ernst Kandlbinder auch Roland Pongratz, der sich für die Paul-Friedl-Ausstellung verantwortlich zeichnet.Mehr Anzeigen 19.10.2022Ferienprogramm im Freilichtmuseum Finsterau: Vom Kienspan zur GlühbirneMauth (Finsterau) Heute ist es ein kurzer Handgriff, über den man gar nicht mehr nachdenkt: das Licht anschalten. Wie es vor der Elektrizität in einer Stube hell wurde, können Kinder am 4. November von 11 bis 14 Uhr im Freilichtmuseum Finsterau erfahren – wo es ja dem Namen nach besonders finster gewesen ist.Mehr Anzeigen 02.11.2021