Der schwarze Tod in Grafenau

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18.01.2015
Grafenau

Am 25. Januar 2015 findet in Grafenau die Sebastiani-Prozession von der Stadtpfarrkirche zur Spitalkirche statt. Sie hat sich als Versprechen der Stadtbevölkerung ergeben, nachdem Grafenau in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts von zwei Pestwellen heimgesucht wurde und damals den Heiligen Sebastian als Schutzpatron angerufen und verehrt hatte. Anlässlich der Prozession wollen wir hier die Pest von 1634 und 1649 und ihre Folgen näher beleuchten.

 

Der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648) rückte zu Beginn der 1630er Jahre auch immer näher an Grafenau heran. Im Dezember 1633 wurde das ruinierte Freiherrliche Strassoldische Regiment und damit sechs Kompanien in die Stadt verlegt. Sie blieben zwar nur drei Wochen, aber danach wurden immer wieder Kompanien ins Winterquartier nach Grafenau verlegt und auch die Wälder rund um die Stadt waren voller Soldaten. Und zu den Schrecken des Krieges sollte sich eine Seuche gesellen, die die Soldaten einschleppten: die Pest, der schwarze Tod.

Stich Grafenau.jpg

 

Die Pest von 1634

Über das Auftreten der Pest vor 1600 in Grafenau liegen keine urkundlichen Quellen vor. Die Seuche war zwar 1584 in Bärnstein aufgetreten, aber ihr fiel auch der damalige Gerichtsschreiber Hölzl zum Opfer.

Im Januar 1613, nachdem die Pest im Bistum Passau und in Böhmen einriss, erging
in Grafenau ein Ratsbeschluss, die Brunnen sauber zu halten, Schweine nicht auszulassen, keinen Unrat auf die Straßen zu schütten und die drei Stadttore mit Wächtern zu besetzen. So schien in diesem Jahr wie auch 1625 und 1633 die Pest
nicht ausgebrochen zu sein.

Ganz anders im Jahr 1634, als der schwarze Tod in Grafenau am 30. August ausbrach, und es nichts mehr half, dass man den Bürgern Medikamente aus der Apotheke in Passau holte oder sie zu einem Arzt nach Windorf schickte, dem eine erfolgreiche Behandlung der Infektion nachgesagt wurde. Die Pest „kündigte sich an mit geschwollener Zunge, hohem Fieber (von 40° bis 42°C), Schüttelfrost, heftigem Delirium, furchtbaren Kopfschmerzen, starrem Blick, Erbrechen und besonders mit den Gänseei großen schwarzblauen Beulen. Diese traten zuerst in den Achselhöhlen auf, verbreiteten sich dann über den ganzen Körper, wurden eitrig und nach 12 bis 24 Stunden wurden die Kranken in den meisten Fällen vom Tod dahin gerafft.“ (Dorfchronik Lichteneck) Der Bader Hans Seidl wurde als Brechen-Bader von der Stadt bestellt, die infizierten Häuser wurden gesperrt, versiegelt und ihre Bewohner ihrem eigenen Schicksal überlassen. Der Maurer Hans Braun musste den Kranken ihren Lebensbedarf vor die Häuser tragen. Angaben zu der Anzahl der Toten finden sich nicht. „In Gruben am Friedhof wurden die Leichen ohne Sarg gelegt, mit Kalk bestreut und mit Erde bedeckt. Angst beherrschte die Menschen, für Trauer hatte man keine Zeit. Heute mögen uns die Flurnamen „Freithofwiese“ bei Heinrichsreit und „Friedhöflacker“ an die Pestfriedhöfe jener grauenvollen Jahre erinnern.“ (Dorfchronik Lichteneck)

 

Die Pest von 1649

Bereits im Herbst 1647 war die Seuche wieder in Böhmen eingerissen. Grafenau ließ seine drei Tore bewachen, ebenso im Dezember 1648. Im Herbst 1649 brach die Pest aber erneut in der Stadt aus. Obwohl man die Gefahr bereits im August erkannte, Infektionswächter aufstellte und das Untere und Mittlere Stadttor zupflastern ließ. Im Oktober ordnete das Landgericht an, in der Nähe der Stadt einen eigenen Infektionsfriedhof auszustecken. „Es wird angenommen, dass er vor dem heutigen Bahnhofsgelände lag. In der Nähe, bei der Einmündung des Verbindungsweges vom Bahnhof zur Elsenthaler Straße, soll auch die Pestsäule aufgestellt gewesen sein. Sie steht heute im Friedl-Garten als stummer Zeuge jener Zeit.“ (Dorfchronik Lichteneck) Zur genauen Lage wie zur Anzahl der Opfer fehlen auch hier Angaben, da das Pfarrbuch für die Jahre 1640 – 1672 fehlt. Es liegt jedoch ein Bericht des Stadtschreibers Balthasar Piesser, der Propsteirichter zu St. Oswald war, vom November 1949 vor. Darin berichtet er an den Abt Tobias in Niederalteich, dass schon im Sommer in der Propstei viele Menschen an der Seuche verstorben waren, und der schwarze Tod nun auch in den umliegenden Dörfern eingerissen sei. Besonders in Draxlschlag, Haslach und Schönanger starben mehr als 60 Personen. Die Menschen aus unsicheren Orten würden weder ein- noch durchgelassen, würden mit  Medikamenten versorgt, Wächter und Zuträger aufgestellt. Es gäbe aber keinen Infektionsfriedhof, vielmehr würden die Toten im Garten vergraben.

 


Serie: Zeitreise - Geschichten aus der RegionStädte, Märkte, Gemeinden - von der Entstehung bis zur Neuzeit.

Quellenangaben

Wagner, Hermann: Grafenau, 1954.
Dorfchronik Lichteneck: www.lichteneck.eu/index.php?key=chronik&id=37&afid=32 (zuletzt aufgerufen am 15.01.2015)

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