Grenz-Geschichte(n) damals und heute
Die besondere Beziehung zwischen Tschechien und Deutschland pflegen die Gymnasien von Freyung und Prachatice bereits seit über zehn Jahren durch regelmäßige Treffen und gemeinsame Unternehmungen auf beiden Seiten der Grenze. Dieses Mal stand aber ein ganz besonderer Termin an, der zusammen mit der Universität Passau und der Universität Budweis organisiert worden war: eine Erkundung des Grenzortes Buchwald/Bučina und dessen wechselhafter Geschichte in den letzten 100 Jahren im Rahmen des Projektes „Begegnungsraum Geschichte“.
Tschechische und deutsche Schüler interviewen gemeinsam den Zeitzeugen Helmut Haselberger aus Finsterau…
Die Projektleiter aus Passau und Budweis um Judith Rösch und Marie Talířová verstanden es gekonnt, mit einigen Kennenlernspielen das sprachliche Eis zwischen den beiden, sich bis dahin fremden Schülergruppen aus Prachatice und Freyung zu brechen. Bald saßen deutsche und tschechische Schüler in kleinen Gruppen zusammen und erforschten anhand von Bild- und Textquellen, wie weltpolitische Ereignisse ihren Wiederhall in der kleinen Grenzgemeinde bei Finsterau fanden. Die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz von 1945 bedeuteten hier z. B. ganz konkret, dass die Bevölkerung in Buchwald ihre Häuser verlassen und jenseits der Grenze ihr Glück suchen musste.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen im Hotel Alpská vyhlídka bekamen die Gruppen verschiedene Aufträge, um die Geschichte Buchwalds live in Augenschein zu nehmen. So befasste sich z. B. ein Teil der Schüler mit den heute noch sichtbaren Spuren der Grenzanlagen während der Zeit des Kalten Krieges, andere aber suchten nach den literarischen Verbindungen der beiden Länder in den Werken des in Buchwald geborenen Dichters Johann Peter. Eine Gruppe machte sich sogar auf den Weg ins 4 km entfernte Fürstenhut/Knížecí Pláně und fand auf dem dortigen Friedhof viele in der Gegend um Freyung beheimatete Namen.
… und genießen nach Abschluss ihrer Recherchen das schöne Wetter auf der Terrasse des Hotels Alpenblick in Buchwald.
Bei auftretenden Fragen stand den insgesamt 37 Schülern zudem Helmut Haselberger als Zeitzeuge zur Verfügung. Die familiären Wurzeln des Finsterauers liegen nämlich jenseits der Grenze im böhmischen Hüttl/Chalupky. Er konnte den Gymnasiasten von einer aufregenden Begegnung mit tschechischen Grenzern berichten, die ihn und seinen Onkel beim Fischen im Grenzbach auf der verbotenen Seite erwischt hatten, und auch davon, wie menschenleer der Grenzstreifen war und eben genau dieser Umstand den weltweit herrschenden West-Ost-Konflikt vor Ort sichtbar machte.
„Heute sind wir uns nicht nur bewusst geworden über die Bedeutung der uns ehemals trennenden Grenze, sondern vor allem über die gemeinsame Geschichte und die Chancen einer Zusammenarbeit heute und in Zukunft“, resümierte der Freyunger Schülersprecher Matthias Kerschbaum, bevor es nach einem ereignisreichen Tag zurückging in die jeweiligen Heimatstädte. Das war auch durchaus persönlich gemeint, denn die ein oder andere Handynummer wurde ausgetauscht und das verspricht auch zukünftig einen regen Austausch zwischen den Zehntklässlern aus Böhmen und aus Bayern.