Das letzte „Saukopfmahl“ zu Mitternach

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26.04.2024
Schönberg

Feierliches „Gelübde“ brachte noch einmal Bauer zu Bauer und Rüssel zu Magen

 

Die besten Traditionen werden entwickelt, gepflegt und bedauert, wenn sie doch eines Tages zu Ende gehen. So wie der „Sautod zu Mitternach“, der stets wenig öffentlich, aber umso legendärer auch 2024 stattfand. Wenn sich Pfarrer Michael Bauer in den Ruhestand verabschiedet, dann könnte allerdings auch dieses fast 20-jährige Insider-Ereignis mit dem „letzten Mal des Mahles“ fürderhin der Vergangenheit angehören.

 

Zur Ursprungs-Geschichte: Es müsste sich vermutlich laut Erinnerung des Rates Arthur Winkler im Spätsommer 2004 so zugetragen haben, dass der „Stecher Xav“ im Mitternacher Wirtshaus Besendorfer zum Pfarrer sprach: Wenn doch bald darauf „Michaeli“ sei, dann würde er an dem Tag Punkt 8 Uhr abends nach der Stallarbeit von agrarischem Bauer zu geistlichem Bauer seine Gratulation zu dessen Namenstag persönlich überbringen. Doch wer saß dann am Tisch bereit und wartete vergeblich - der Pfarrer von Schönberg. Die Wirtsleute wurden aktiv und telefonierten zur Gattin des Xaver. Den wollte aber nach dem anstrengenden Tageswerk das Kanapee in der heimischen Stube erst gar nicht so recht auslassen. Aber irgendwann drückte ihn dann doch das Gewissen, und es reifte auf dem Weg zum Schanktisch das Versprechen bis zum Gelübde heran, dass er zur Buße dem wartenden Tischgenossen so lange einmal jährlich an einem Mittwoch im Frühling einen gekochten Saukopf samt Kraut und Kartoffeln servieren würde, bis sein Zögern zu Michaeli „gesühnt“ sei.

 

Und so war es dann auch seit 2005 – einzig mit einer Corona-Lücke in 2021 und 2022 -, dass alljährlich der Bauer zum Bauer pilgerte, und der ihm zur Belustigung von Familie und Freunden auch noch eine gereimte Predigt halten durfte. Weil damals Peter Siegert als amtierender Bürgermeister von den wirklich wichtigen Ereignissen nie weit weg war, wurde er zum Zeugen und als Metzgerssohn auch gleich zum operativen Saukopfzerleger ernannt. Diese Aufgabe behielt er auch dann noch, als die amtliche Präsenz-Aufgabe an Nachfolger Pichler überging. Zugleich blieb der Kreis der Anwesenden stets auf recht genau zwei Dutzend „Jünger“ begrenzt und die lange „Abendmahls-Tafel“ quasi beidseitig besetzt. Und das, obwohl über die Zeit leider schon neun Originale - laut „Sautod-Chronist“ Arthur Winkler - die Runde für immer verlassen mussten und darum „den Löffel an der irdischen Schlachtplatte abgegeben haben“. Ihrer wurde in Bildern und mit Wehmut gedacht. Unter ihnen war auch der Begründer, dessen Part aber bereitwillig der Sohn, der „Stecher Xav junior“ übernommen hat. Gesellige Nachrücker auf den verwaisten Stühlen fanden sich stets gerne, war die Predigt des geistlichen Bauer doch nie eine strafende, sondern stets ein Gedicht von Glaubenskraft, gereimt von der ersten bis zur letzten Zeile; und eine wohlgesonnene Vertiefung zu Predigten, die in der Kirche vielleicht schon mal vom einen oder anderen verpasst wurden.

 

Die Sau musste wieder dran glauben. Die Menschen dürfen an etwas glauben. Die gute Verbindung daraus zerlegte Peter Siegert traditionell zur Stärkung der Predigtzuhörer beim vielleicht letzten „Sautod zu Mitternach“.

Die Sau musste wieder dran glauben. Die Menschen dürfen an etwas glauben. Die gute Verbindung daraus zerlegte Peter Siegert traditionell zur Stärkung der Predigtzuhörer beim vielleicht letzten „Sautod zu Mitternach“.

 

Hintersinnig berichtete der Predigtprofi am Ambo von der biblischen Heilung eines Aussätzigen durch Jesus, wozu es durchaus der Übertretung von einigen anerkannten Regeln jener Zeit bedurfte. Berührungsängste trennten damals nämlich strikt Gesund und Krank. So unerbittlich war der religiöse Codex. Von Jesus gab es dennoch Heilung statt der Seuchenvermeidungsbürokratie. Aber der habe eben auch von einem besonderen Gottvertrauen zehren können. Den puren Glauben, dass sich vieles in dieser guten Hoffnung positiv fügen würde, gab Michael Bauer seinen Zuhörern im ersten Teil mit auf den Weg.

 

Während der Mensch daran glauben darf, musste die Sau des Abends allerdings dran glauben, um nun nach ihrem letzten „Grunzer“ samt „Steckdose“ und „Waschel“ - oder modern: „nose to tail“ - mit Kartoffeln, Kraut und Kren der allgemeinen Stärkung zu dienen. Siegert schritt zu Brett und Messer und zerlegte das Sauengesicht nach dem feierlichen Choral „von der toten Sau“ für die Gläubigen. Ob der großen Deftigkeit konnten die Gäste am Tisch aber erneut fest daran glauben, dass der ebenfalls geistliche Inhalt einer großen steinernen Flasche den Magen schon wieder zurechtrücken würde.

 

Bürgermeister Martin Pichler hatte die Aufgabe übernommen, einen geistlichen Trost in irdenem Gefäß zu spenden. Der ging an den Geistlichen Bauer (l.) und an den Bauer Xaver II. (r.) und von dort in die Magenrunde des „Sautodmahls“. Fotos: Markt Schönberg

Bürgermeister Martin Pichler hatte die Aufgabe übernommen, einen geistlichen Trost in irdenem Gefäß zu spenden. Der ging an den Geistlichen Bauer (l.) und an den Bauer Xaver II. (r.) und von dort in die Magenrunde des „Sautodmahls“. Fotos: Markt Schönberg

 

So ging es denn auch in den zweiten Teil der Sautod-Dichtung: Darin wurde die Geschichte erzählt, wie damals Bauer zu Bauer und Gelegenheit zu Tradition fanden. Und wie es nun doch dazu kommen müsse, dass es 2024 auch der letzte Sautod zu Mitternach sein würde. Nicht wegen vegetarischer Trends, sondern weil nun auch der zweite Original-Bauer „dahinscheide“, wenn auch durch Pensionierung. Und so sei zum guten Schluss auch „gedenkgedichtet“: Auch das gehöre zur Zeitenwende, dass alles dennoch einmal ende. Gott behüte an jedem Tag, was immer da auch kommen mag. Man solle froh nur vorwärtsschauen, in starkem himmlischen Vertrauen. So schloss der Sautod auch zum Trost, anstatt mit „Amen“ dann mit „Prost“.

 


- AF


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Quellenangaben

Markt Schönberg

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