Archäologie

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11.03.2010

Archäologie am Goldenen Steig; Heimat- und Museumsverein und Emerenz-Meier-Verein aus Waldkirchen bei Vortragsabend mit tschechischen Forschern

Ist Archäologie im Böhmerwald unterhaltsam, kurzweilig und gar in der Lage, Massen anzuziehen? Ein definitives JA gaben 60 Besucher, unter ihnen auch die stellvertretende Landrätin Renate Cerny, in der übervoll besetzten Wirtsstube der mindestens 300 Jahre alten Säumerherberge, in der heute das Emerenz-Meier-Haus in Schiefweg seine Heimat hat. Bei einer Gemeinschaftsveranstaltung des Heimat- und Museumsvereins und des Emerenz-Meier-Vereins aus Waldkirchen waren die Vereinsvorstände Christian Seidel und Alexander Nodes „überwältigt vom regen Zuspruch“. Sie wollen u. a. mit dieser Veranstaltung „guten Kontakt halten und zusammen arbeiten“.

Im Mittelpunkt des Vortragsabends „Der Goldene Steig aus archäologischer Sicht“ standen die beiden südböhmischen Referenten Dr. František Kubů vom Museum Prachatitz und Dr. Petr Zavřel vom südböhmischen Museum Budweis, die beide den Grundstein für ihre Forscherkarriere an der Karlsuniversität in Prag gelegt haben. Fachkundig und mit einem Schuss Selbstironie gewürzt haben die beiden Experten der südböhmischen Archäologie eine an und für sich trockene Materie wissenschaftlich fundiert und trotzdem anschaulich präsentiert. Beide bereisen seit 20 Jahren das Gebiet um die vielen Verästelungen des Goldenen Steiges auf bayerischer und tschechischer Seite. Zweimal sind sie in ihren Anfangsjahren von der Polizei beim Forschen im Grenzgebiet sogar kurzzeitig festgenommen worden: „Unsere Arbeit ist spannend, auch so was bringt ein Forscherleben mit sich“, so František Kubů spitzbübisch.

Kubů und Zavřel haben dem interessierten Publikum nach einem fundierten Überblick über die Geschichte des Goldenen Steiges anhand ihrer Funde Beweise geliefert, dass dieser wichtige historische Handelsweg bei weitem älter ist, als man ursprünglich meinte. Keramikscherben aus der Späthallstattzeit, die vor allem auf dem Winterberger Zweig gefunden wurden, und viele weitere erstaunlich gut erhaltene und außergewöhnliche Fundstücke untermauern dieses Ergebnis: „Es hat schon sehr früh enge Handelsbeziehungen zwischen Südbayern und Südböhmen gegeben. So weisen zum Beispiel Gräberfelder in Friedenhain bei Straubing und im südböhmischen Prestovice die gleichen Spuren auf“, fasst Dr. Petr Zavřel zusammen.

Immer wieder fällt an diesem Vortragsabend in Schiefweg ein weiterer Name: Paul Praxl, der Archivar und Historiker aus dem Landkreis Freyung-Grafenau ist ein weithin anerkannter Heimatforscher und Experte in allen Fragen rund um den Goldenen Steig. Auch den beiden Fachleuten aus Südböhmen hat er viele wertvollen Erkenntnisse für ihre Arbeit geliefert: „Paul Praxl kennt die Archive in Bayern und Tschechien, in denen unzählige Quellen zum Goldenen Steig verstreut lagern. Er bringt diese Puzzleteile zu einem großen Ganzen zusammen“, so Dr. František Kubů.

Die drei Hauptzweige des Goldenen Steiges auf tschechischer Seite, der Prachatitzer, der Winterberger und der Bergreichensteiner Zweig, sind von Kubů und Zavřel bereits abschließend erforscht und teilweise in Buchveröffentlichungen dokumentiert worden. Seit letztem Jahr sind die beiden Historiker und Archäologen in einem Projekt der Universität Passau mit der Erforschung des ehemaligen Handelsweges auf bayerischer Seite von Passau bis zur Landesgrenze nach Tschechien beschäftigt. 2011 wird diese Arbeit beendet sein und im Jahr 2012 wird es auch hierüber ein Fachbuch geben.

Aber wie sieht archäologische Forschung in Böhmen und Bayern eigentlich in der Praxis aus? Kubů und Zavřel gaben mit ihrer Bilderpräsentation Einblicke in die tägliche Arbeit. Nach dem Studium der Quellen in den Archiven geht es ins „Terrain“, wie die Tschechen zu sagen pflegen. Heute noch sichtbare Hohlwege werden am Boden mit Schaufel, Pickel und Metallsuchgeräten erforscht. Aus der Luft wird der Gesamtzusammenhang hergestellt, Relikte werden in Landkarten eingezeichnet, Fotodokumentationen werden angelegt. Dabei freuen sich die Forscher immer wieder über außergewöhnliche Relikte: „Unser schönster Fund war eine Streitaxt aus dem 15. Jahrhundert“, so Kubů. Auf bayerischer Seite waren die Tschechen überrascht, als sie im „Leopoldsreuter-Graineter-System“ über 200 Einzelfunde entdeckten.

Zum Schmunzeln brachte die Besucher der Hund „Tramp“: er war bis zu seinem Tod im Jahr 1999 der ständige Begleiter der Tschechen.

„Unser Mitarbeiter wurde 18 Jahre alt und hat mit seiner Spürnase erstaunlichen Anteil an vielen Funden. So einen treuen und zuverlässigen Begleiter haben wir bis heute nicht mehr gefunden“, so František Kubů ein bisschen wehmütig.

Kubů und Zavřel „wanderten“ an diesem Abend mit den Zuhörern durch die bisher erforschten Teile des Goldenen Steiges. Auf dem einstigen Handelsweg erlebten die Besucher das entbehrungsreiche und harte Säumerleben durch Hohlwege mit bis zu 10 Metern Breite und Tiefe. Besonders interessant waren für die Teilnehmer natürlich die Forschungen in und um Waldkirchen, vor allem am Sicklinger Berg: „Hier haben wir vergleichsweise wenige Relikte gefunden, wahrscheinlich ist der Goldene Steig hier zu nah an der Zivilisation und andere waren schneller“, folgerte Kubů. Bei Vendelsberg mussten die Tschechen Ende 2009 die Grabungen vorerst witterungsbedingt beenden. Ab dem Frühjahr setzen sie ihre Arbeiten in Richtung Passau fort.

„Wir freuen uns sehr, dass wir durch unsere Arbeit den Goldenen Steig als grenzüberschreitenden Handelsweg, der den Bayerischen und den Böhmerwald wirtschaftlich erschlossen hat, zu den Menschen bringen können. In zahlreichen Dauerausstellungen, Referaten, Konferenzen und Buchveröffentlichungen wird der Begriff „Goldener Steig“ wiederbelebt. Durch Presse, Rundfunk und Fernsehen etabliert er sich bei breiten Bevölkerungsschichten und lässt Historie lebendig werden“, fassen die beiden Tschechen, die seit langem auch Mitglieder beim Säumerverein Grainet sind, ihre wichtige Arbeit zusammen.


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- MD



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