FILMTIPP: 7500

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21.10.2023

"SPANNENDER MINIMALISMUS"

Thriller in Flugzeugen sind in Hollywood gern gesehen. Solche Filme wie CON AIR, NON-STOP oder AIR FORCE ONE machen zwar mächtig Spaß, sind aber weit entfernt von der Realität. Der deutsche Genre-Film 7500 backt da deutlich kleinere Brötchen, ist aber in Puncto Authentizität näher dran und somit auch wirklich glaubwürdig. Denn es muss ja nicht immer das große Actiongewitter sein. Ein kleines, feines Thrillerdrama mit guten Darstellern tut es doch manchmal auch.

KURZ NOCH ETWAS ZUR STORY:

Der junge Co-Pilot Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt) bereitet sich auf einen Nachtflug von Berlin nach Paris vor. Seine heimliche Freundin, mit der er einen kleinen Sohn hat, ist als Stewardess mit an Board. Der Start gelingt reibungslos und alles geht seinen routinierten Gang. Bis - völlig überraschend - junge Terroristen, darunter der achtzehnjährige Vedat (Omid Memar), versuchen ins Cockpit einzudringen und ein Kampf zwischen Besatzung und Angreifern beginnt. Plötzlich findet sich Tobias in einem albtraumhaften Szenario wieder, in dem er über Leben und Tod entscheiden muss...

 

 

Der deutsch-österreichische Film 7500 ist ein sehenswerter Thriller in fast dokumentarischen Bildern. Der Filmtitel 7500 greift den Notfallcode für eine Flugzeugentführung auf. Gleich zu Beginn bekommen wir eine Überwachungskamera-Montage, welche Bilder der Terroristen bei der Sicherheitskontrolle im Flughafen und beim Einkauf zeigt. Danach tauchen wir ein in den unspektakulären Alltag eines Piloten in seinem Cockpit. Routinierte Abläufe, alltägliche Konversationen und eingetaucht wird das Szenario in ein farbengedrosseltes Bild, welches sofort eine angespannte Atmosphäre suggeriert. Die Tristheit ist hier Programm, bis die nichts ahnenden Protagonisten plötzlich aus ihrem vertrauten Alltag gerissen werden und sich die furchtbaren Ereignisse überschlagen.

7500 ist ein intensives Kammerspiel welches auf gute Darsteller, wackelige Handkamerabilder und wenig Tamtam setzt. Die Geschichte sowie die Handlungen sind realitätsnah und nachvollziehbar. Durch das kammerartige Spiel, entwickelt sich eine zunehmend beklemmende und dadurch intensive Atmosphäre, die einen packt und nicht mehr loslässt. Regisseur Patrick Vollrath verzichtet fast vollständig auf den Einsatz eines manipulativen Scores, was die Intensität der sowieso schon angespannten Prämisse noch verstärkt. Es wirkt fast wie eine dokumentarische Aufarbeitung eines furchtbaren Tages. In 7500 spielt sich die Story fast in Echtzeit ab, lässt aber den wenigen Darstellern genügend Raum, um sich zu entfalten.

Die darstellerischen Leistungen sind alle gut bis sehr gut und Joseph Gordon-Levitt spielt wie immer hervorragend. Er offenbart hier wieder seine ganze Palette an Gefühlsregungen und trägt den Film ohne großen Aufwand ganz alleine. Seine nahbare Performance veranschaulicht die innerliche Zerreißprobe seiner Figur, ob er einzelne Personen retten, oder seine Pflicht und das große Ganze im Auge behalten soll, mit zerbrechlicher Eleganz. Außerdem noch zu erwähnen ist der junge österreichische Darsteller Omid Memar als achtzehnjähriger Terrorist Vedat, der seinen Kompass und den Glauben an seine Tat verloren hat. Seine Figur trägt zu den gefühlvollsten und menschlichsten Momenten bei und ist der perfekte Kontrast zu Gordon-Levitts Figur. Hier braucht es keinen großen Background, es reichen die kleinen Versatzstücke, die die Zuschauer am Rande mitbekommen, um den Figuren glaubhaften Tiefgang zu verleihen.

Durch die unspektakuläre Machart, schleichen sich die ein oder anderen Längen mit ein und ein paar Szenen wirken arg konstruiert, doch das tut dem Sehvergnügen keinen deutlichen Abbruch. 7500 ist sicherlich kein Film für die große Masse und man darf auf keinen Fall einen spektakulären Actionfilm/Thriller erwarten, denn dann wird man bitterlich enttäuscht. Der Film will realitätsnah und echt wirken und das mit minimalistischsten Mitteln. 7500 ist ein Film für Liebhaber von ruhig erzählten Geschichten, von Kammerspielen, die sich jenseits von Hollywoods Action-Spektakeln abspielen. Und man sollte sich den Film nicht unmittelbar vor einem Flug, oder währenddessen ansehen, denn so unspektakulär die Flugzeugentführung auch zu Stande kommt, es ist dennoch ein beängstigendes Szenario.

7500 ist minimalistisches deutsches Genrekino mit namhafter Besetzung und einer spannenden Story. Ruhig, atmosphärisch, gut gespielt und zu jedem Zeitpunkt glaubhaft. 7500 ist ein Paradebeispiel, dass spannendes Kino nicht viel benötigt. Minimalismus statt Bombast!

(Den Film kann man auf allen bekannten Streaming-Plattformen käuflich erwerben.)

 

Viel Spaß beim Film- und Serienschauen,

euer Thomas P. Groh.

 

 

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- TG


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Quellenangaben

Bilder: © 2020 LEONINE DISTRIBUTION GMBH - ALLE RECHTE VORBEHALTEN.

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