Bürokratie als handfester Wettbewerbsnachteil

zurück zur Übersicht
07.05.2021
Passau

Datenschutzgrundverordnung, Entsendungsrichtlinie, Kassenbonpflicht – Schlagworte wie diese lassen bei Unternehmern regelmäßig den Puls ansteigen. Die immer höhere Bürokratiebelastung ist ein Dauerkritikpunkt der Wirtschaft. Das Problem dabei: „Bürokratie“ bleibt oft ein unscharfer Begriff. Die IHK Niederbayern hat die Bürokratiebelastung der Unternehmen daher umfassend untersuchen lassen. Die Kernergebnisse der Studie wurden nun erstmals bei einer Sitzung der IHK-Vollversammlung, dem „Parlament der Wirtschaft“, vorgestellt.

„Zur Bürokratiebelastung gibt es viele Einzelbeispiele, jeder kann mitreden. Was aber fehlt, ist das Gesamtbild sowie eine Auswertung, was die Bürokratie den Unternehmen kostet“, sagte IHK-Präsident Thomas Leebmann in der Sitzung und leitete damit zu Dr. Stefan Mang über. Er ist Geschäftsführer des Centrums für Marktforschung an der Universität Passau (CenTouris), sein Team hatte die IHK-Bürokratiestudie durchgeführt. In einem mehrstufigen Prozess von einer breit angelegten Online-Befragung in der niederbayerischen Wirtschaft bis zu intensiven Tiefeninterviews einzelner Unternehmer reichte die Datensammlung. Das nüchterne, wissenschaftliche Fazit, das Mang der Vollversammlung erläuterte: „Die Bürokratielast ist in Unternehmen aller Branchen und Größen in den vergangenen Jahren gestiegen.“ Der von Seiten der Politik gelobte Ansatz der Bürokratieentlastung habe nicht gegriffen, im Gegenteil: „Bürokratie wird von den Unternehmen eindeutig als Wettbewerbsverzerrung gesehen“, berichtete Mang. Das führe zu Nachteilen insbesondere im internationalen Wettbewerb sowie zu Kostensteigerungen auch bei den Kunden.

Beispiele dafür listet die Studie zu genüge auf. So sorgen etwa nach Einschätzung von 60 Prozent der befragten Unternehmer die Dokumentationspflichten bei Datenerhebung und -verarbeitung für besonders hohe Bürokratiekosten. Aber auch Themen wie Steuererklärung, Datenschutz oder komplizierte Vorschriften im Arbeitsschutz sorgen für hohe Zusatzkosten. Bei der „subjektiven Bürokratiebelastung“, die vor allem auf die Motivation von Unternehmern wie Mitarbeitern drückt und als Einschränkung der unternehmerischen Freiheit empfunden wird, stehen diese Themen ebenfalls an der Spitze. Beispielsweise der Datenschutz rückt sogar noch weiter nach oben.

Auch die Forderungen und Verbesserungsvorschläge der Unternehmer hat CenTouris erhoben. Wenig verwunderlich – weil eine Dauerforderung – ist beispielsweise der Wunsch der Unternehmer nach mehr Praxisorientierung und Verhältnismäßigkeit. Des Weiteren fordert die Wirtschaft differenzierte Regeln je nach Branche und Unternehmensgröße sowie dynamischere Prozesse in Gesetzgebung und Verwaltung, um in einem sich ständig wandelnden Umfeld schneller reagieren zu können. Ebenfalls auf der Wunschliste: „weniger gesetzliche Volatilität“, wie es in der Studie heißt, also letztlich mehr Verlässlichkeit in der Politik. Daneben liefern die Befragten aber auch ganz konkrete Ideen für die Umsetzung, wie etwa mehr Vertrauen in die Expertise der Mitarbeiter beim Arbeitsschutz, die Sicherung des Bestands beim Brandschutz oder mehr Digitalisierung und E-Government im Datenschutz. „Die Studie liefert eine breite Grundlage für die weitere Arbeit, um beim Bürokratieabbau endlich voranzukommen. Wir werden die Ergebnisse jetzt zu einem umfassenden und sehr konkreten Forderungskatalog zusammenführen und diesen dann an die Politik geben“, kündigte IHK-Präsident Leebmann an.

IHK-Präsident Thomas Leebmann leitete die virtuelle Sitzung der Vollversammlung - hier beim Vortrag von Dr. Stefan Mang zur BürokratiestudieIHK-Präsident Thomas Leebmann leitete die virtuelle Sitzung der Vollversammlung - hier beim Vortrag von Dr. Stefan Mang zur Bürokratiestudie


Neben weiteren Tagesordnungspunkten warf die IHK-Vollversammlung außerdem einen Blick über die Grenzen: Hochrangige Vertreter Deutscher Auslandshandelskammern haben sich in die virtuelle Sitzung zugeschaltet. Hier schloss sich der Kreis zum Bürokratiethema. So sprach etwa Thomas Gindele von der Deutschen Handelskammer in Österreich die EU-Entsendungsrichtlinie an, die für das Arbeiten über die Grenze hinweg auch zwischen Nachbarländern hohe bürokratische Hürden aufwirft. Gerade in der Corona-Krise habe man jedoch gesehen, wie wichtig der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ist. Auf den Grenzverkehr ging auch Bernard Bauer von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer ein: Corona habe die Bedeutung der 35.000 tschechischen Pendler in bayerischen Betrieben gezeigt – die zeitweise drastischen Einschränkungen bei der Einreise dieser Grenzpendler hätten zu massiven Problemen besonders bei den heimischen Industriebetrieben geführt. Ulrich Hoppe von der Deutsch-Britischen Handelskammer rückte den Brexit und das in der Folge notwendige Handelsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich in den Mittelpunkt. Dieses Abkommen ist „viel besser als nichts“, betonte Hoppe, aber trotzdem sorge der Brexit für höheren Aufwand, mehr Bürokratie und eine Menge Extrakosten in den Wirtschaftsbeziehungen beider Länder.


- SB


IHK für Niederbayern in PassauPassau

Quellenangaben

IHK für Niederbayern in Passau

Sie möchten Ihren Bericht regional bewerben?

Alle Informationen und Ihren Ansprechpartner finden Sie HIER.



Kommentare

Bitte registrieren Sie sich um hier Kommentare eintragen zu können!
» Jetzt kostenlos Registrieren oder haben Sie Loginprobleme?


Ähnliche Berichte

Flächennutzung: Wirtschaft stellt sich gegen ObergrenzePassau 984 Quadratkilometer umfasst die Fläche des Landkreises FRG – wie wird diese Fläche derzeit genutzt und wie steht das im Verhältnis zu Gesamtbayern? Antworten suchte das IHK-Gremium im LK bei seiner Sitzung.Mehr Anzeigen 26.04.2018Starke Ausbildung, starker StandortFreyung Elf der Prüfungsbesten der IHK-Abschlussprüfungen kommen aus dem Landkreis Freyung-Grafenau. Diese bekamen vergangene Woche ihre Urkunde als Leistungselite überreicht.Mehr Anzeigen 21.04.2018Auszeichnung für die Besten der BestenPassau Sie gehören zu den Besten der Besten: die 28 jungen Fachkräfte, die am vergangenen Montag bei einer Feier in der Stadthalle Dingolfing den IHK-Fortbildungspreis erhalten haben, unter ihnen auch zwei Preisträger aus dem Landkreis Freyung-Grafenau.Mehr Anzeigen 07.03.2018Respekt für erfolgreiche AufbauarbeitPassau Mit einer Ehrenurkunde hat die IHK Niederbayern dem Unternehmen Wagner-Metalltechnik zum 25-jährigen Jubiläum gratuliert. Der designierte IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner überreichte die Urkunde vor Kurzem bei einem Termin vor Ort in Perlesreut.Mehr Anzeigen 24.12.2017Durchwachsenes Zeugnis für Wirtschaftsstandort FRGGrafenau Wie steht der Landkreis Freyung-Grafenau als Wirtschaftsstandort da - und wohin soll er sich entwickeln? Diese Fragen haben sich die Unternehmer des IHK-Gremiums Freyung-Grafenau bei ihrer Sitzung gestellt.Mehr Anzeigen 13.11.2017Impulse vom VorzeigehändlerWie sich das Modehaus Garhammer im Wettbewerb gegen den steigenden Onlinehandel erfolgreich behauptet und zur Belebung der Innenstadt beiträgt, davon haben sich vor Kurzem die im Handelsausschuss der IHK Niederbayern versammelten Unternehmer ein Bild gemacht.Mehr Anzeigen 20.10.2016