Grafenau. Die Kulturschaffenden in den Bayerwald-Landkreisen Regen und Freyung-Grafenau fühlen sich vom Bürokratismus überfordert. Außerdem heble das bestehende Fördersystem viele Aktivitäten aus: Geld vom Landkreis, vom Bezirk und vom Land gebe es nur, wenn auch die Gemeinde mit im Boot sei. Viele Kommunen aber könnten sich wegen der Fülle anderer Aufgaben eine Förderung der Kulturarbeit nicht leisten, wurde in einem Kulturgespräch am 10. August beklagt, zu dem der Freyunger Landtagsabgeordnete Alexander Muthmann nach Grafenau eingeladen hatte. Der frühere Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch hörte sich die Sorgen der Kulturschaffenden an, die sich dringend einen Kümmerer wünschen. Bei ihm sollen die Förderanträge gebündelt und Gelder aus einem gemeinsamen Budget verteilt werden.
Der Münchner Wolfgang Heubisch konnte kaum glauben, dass es im Bayerischen Wald noch immer Gemeinden gibt, die nicht einmal 500 Euro für Kultur ausgeben können. „Die Kommunen stehen doch im Vergleich zu früher hervorragend da! Der Landkreis Freyung-Grafenau hat eine Arbeitslosenquote von 1,9 Prozent, Regen 2,4 Prozent“, wunderte sich der ehemalige Wissenschaftsminister: „Wie sollen denn die jungen Leute bleiben, wenn auf dem Land keine kulturellen Aktivitäten stattfinden, weil das Geld fehlt?“ Kultur findet statt, weil sich Ehrenamtliche weit über das übliche Maß hinaus engagieren und kleine und mittlere Betriebe als Sponsoren einspringen, schilderte Bernd Bachhuber, der Vorsitzende des Kulturforums Schönberg, die Situation in der Marktgemeinde mit ihren 4 000 Einwohnern. Für den Kulturherbst habe es in den 27 Jahren seines Bestehens noch nie eine öffentliche Förderung gegeben. Dieser Zustand sei auf Dauer nicht haltbar, ist Bachhuber überzeugt. Alexander Muthmann (FDP), der als Mitglied in der Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern“ mitgearbeitet hat, unterstrich diese Aussage. In den Ballungsräumen gewährleisteten staatliche Stellen einen funktionierenden Kulturbetrieb. In den ländlichen Regionen werde ein lebendiges Kulturleben vor allem von Ehrenamtlichen gewährleistet. Ihnen müsse die Arbeit erleichtert und nicht noch zusätzlich erschwert werden. Auf dem Land habe Kultur auch einen sozialen Aspekt, betonte der Autor Eberhard Kreuzer aus Zwiesel. Die Veranstaltungen seien ein Treffpunkt für interessierte Menschen.
Christian Bayerl, Inhaber der Galerie „Kunst(t)räume grenzenlos“ in Bayerisch Eisenstein, zeigte die Mängel des bestehenden Fördersystems auf. Um herausragende und teure Ausstellungen finanzieren zu können, habe er bei verschiedenen Stellen um Unterstützung nachgefragt, sei aber immer wieder auf die Gemeinde verwiesen worden. Es gebe nur Geld, wenn sich die Kommune an den Kosten beteilige, hieß es. Bayerisch Eisenstein aber habe keinen übrigen Cent, stehe unter Finanzaufsicht. Dieser Mechanismus müsse durchbrochen werden, verlangte Bayerl, denn so gerate man schnell in einen Engpass, auch wenn dieser nur vorübergehend sei – eine Situation, die auch Alois Seidl vom Kulturkreis Freyung aus vielen Erfahrungen kennt.
Sie kamen zum Kulturgespräch mit dem früheren Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch und dem Landtagsabgeordneten Alexander Muthmann: Regisseurin Christl Kreuzer, Hans Krottenthaler, Vorsitzender des Kulturkreises Röhrnbach (1. Reihe von links). 2. Reihe von links: Galerist Christian Bayerl, Kristina Heubisch, Roman Eder vom Förderkreis Schloss Buchenau, Autor Eberhard Kreuzer. 3. Reihe von links: Bernd Bachhuber, Vorsitzender des Kulturforums Schönberg, Christian Binder von der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald, Roland Pongratz, Kulturreferent des Landkreises Regen, Alois Seidl vom Kulturkreis Freyung, Martin Wagner, Geschäftsführer des Kreisjugendrings Freyung, und Lothar Blitz vom Kunstverein Wolfstein.
Christian Binder, Leiter des Hans-Eisenmann-Hauses im Nationalpark Bayerischer Wald, und Roland Pongratz, Inhaber eines Kulturbüros in Regen und Kulturbeauftragter des Landkreises Regen, berichteten ebenfalls von Projekten, die an der vorgeschriebenen Eigenleistung scheitern. Sie schilderten auch die überbordende Bürokratie, von der die zumeist ehrenamtlichen Kulturschaffenden völlig überfordert seien. Schon das Ausfüllen eines Förderantrages stelle eine Wissenschaft für sich dar. Die Sachbearbeiter bei den Förderstellen und der Regierung seien im Gegensatz zu früher nicht selten mehr an der restriktiven Umsetzung von Vorschriften und Paragrafen interessiert, weniger an den Inhalten, bemerkte Roland Pongratz. Hier träfen Welten aufeinander, die oftmals kreatives Schaffen nahezu unmöglich machten. Roland Pongratz arbeitet als Selbständiger in verschiedenen Projekten; ihn hat noch der frühere Landrat Heinz Wölfl zum Kulturbeauftragten des Landkreises bestellt, weil er im Landratsamt kein eigenes Kulturreferat etablieren wollte, „ohne Büro im Landratsamt, ohne PC, ohne sonstige Infrastruktur.“ Er könne den Vereinen helfen, die Anträge auszufüllen, aber einen eigenen bescheidenen Kulturetat im Landkreishaushalt gebe es erst seit kurzem, sagte Roland Pongratz.
Berichte von der überbordenden Bürokratie und dem schwierigen Fördermechanismus machten dem Landtagsabgeordneten Alexander Muthmann klar, warum der Regierungsbezirk Niederbayern bei der Kulturförderung des Freistaats Bayern mit 3,3 Prozent das absolute Schlusslicht bildet. Oberbayern schöpft 28 Prozent der Gelder ab, Schwaben 23 Prozent. Angeblich kämen aus Niederbayern nicht mehr Anträge. Die Gründe dafür seien jetzt nachvollziehbarer, erklärte Muthmann.
Am Ende des Gespräches waren sich die Teilnehmer einig, dass gerade die ehrenamtlich tätigen Kulturschaffenden in Freyung-Grafenau und Regen über Landkreisgrenzen hinweg eine zentrale Anlaufstelle brauchen, die alle Förderanträge bündelt, professionell bei der Bearbeitung und Abrechnung unterstützt und Kontakt zu den überregionalen Förderstellen hält. Ein Wunschgedanke wäre es freilich auch, dass die Anlaufstelle selbst über Mittel des Freistaates verfügt, um mit diesen – in Zusammenwirken mit der Lokalpolitik und den Kulturschaffenden – vor Ort relativ unbürokratisch regionale Projekte fördern zu können – ähnlich dem Verfahren bei den LEADER-Mitteln. „Wir müssen den bestehenden Fördermechanismus von unten nach oben durchbrechen, damit die Kulturarbeit im Bayerischen Wald gestärkt wird“, nahm Wolfgang Heubisch als eine Botschaft nach München mit. Man habe nichts gegen einen Konzertsaal für Hunderte von Millionen Euro in der Landeshauptstadt, betonte MdL Alexander Muthmann. Dieses Projekt dürfe aber nicht zu Lasten anderer Regionen gehen. „Ich habe heute viel gelernt“, zog der ehemalige Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch sein persönliches Fazit aus dem Kulturgespräch.
Alois Seidl vom Kulturkreis Freyung wertete den Termin als wichtige Standortbestimmung: „Wo stehen wir? Wie geht es uns?“ Es sei wichtig und hilfreich gewesen, sich mit Kulturschaffenden aus dem Landkreis Regen auszutauschen. Auf dieser Basis lasse sich konstruktiv weiterarbeiten, ist Seidl überzeugt. Das Netzwerken geht weiter.