Wenn man hier, im Freilichtmuseum in Finsterau auf einer der Bänke sitzt, fühlt man sich in die Zeit des 19. Jahrhunderts zurückversetzt. Die alten Höfe, die liebevoll angelegten Gärten, alles erinnert an diese Zeit. Ich möchte Sie mitnehmen, die Geschichte einiger Höfe Revue passieren lassen und etwas zur Entstehungsgeschichte erzählen.
Anfangen würde ich heute gerne mit dem Petzi Hof. Er ist der größte Hof im Freilichtmuseum. Er besteht aus sieben Gebäuden und ist ein unregelmäßiger Vierseithof. Das Freilichtmuseum hat sich zur Aufgabe gemacht, schützenswerte Höfe und Gebäude abzubauen, wiederaufzubauen und sie zu erhalten. So auch den Petzi Hof.
Blick aus dem Fenster vom Petzi Hof
Das Haus wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Bis 1754 war er an seinem Ursprungsort in Pötzerreut (Gemeinde Röhrnbach) noch unter dem Namen „Nusserhof“ bekannt, die Familie Nusser führte den Hof.
Im Jahr 1783 wurde er dann übergeben an Matthäus Riedl. Dieser errichtet das Austragshaus und übergab dann an den Sohn Josef Riedl. Er baute das bestehende Wohnhaus um, wölbte die Fletz (Eingangsbereich) ein, baute eine Wasserküche, erweiterte den Keller und bildete eine Schaufasse mit verputztem Ziegelmauerwerk. Josef Riedl verewigte sich auch mit seinen Initialen am Granittürstock des Wohnhauses, was auch heute noch zu sehen ist.
1818 wurde dann das Inhaus errichtet. Es diente die meiste Zeit als Wohnung für die Inleute (Bauer gab ihnen Vieh und Weide, dafür verlangte er Arbeitsleistung). Zuletzt war ein Kriegsgefangener darin untergebracht. Er war Zwangsarbeiter am Hof. Danach diente das Inhaus nur noch als Werkstatt.
1893 erbte Katharina, die einzige von acht Kindern, die überlebt, den Hof und heiratete Josef Petzi. Daher bekam der Hof dann auch den jetzigen Namen.
Josef Petzi
1908 stirbt Katharina und Josef bewirtschaftet mit seinen Töchtern Rosa, Katharina und Anna den Hof. Im Jahr 1910 heiratete Josef Petzi seine zweite Frau Theres Seidl. Der Petzi Hof war damals ein sehr reicher Hof. Petzi war Bürgermeister und Schöffe am Landgericht und er genoss ein sehr hohes Ansehen.
1927 baute er einen Stadel an, der im Freilichtmuseum das temperierte Zentraldepot beinhaltet.
1928 wird Ludwig Kainz, einer der letzten Bewohner, als Knecht eingestellt.
Familie Petzi, links Katharina Petzi und Josef Petzi
1942 starb dann auch Josef Petzi. Die Tochter Katharina übernahm mit 44 Jahren den Hof. Leider war sie nie verheiratet. Sie nahm auch nicht Teil an der Technisierung des Hofes und der Landwirtschaft. Das ist noch immer gut erkennbar an dem gemauerten Eingangstor im Petzi Hof. Mit neueren Maschinen wäre man nie durch dieses Tor gekommen, da es sehr niedrig ist. Die einzige Neuerung, die sie zuließ waren die Zugpferde, die die Ochsen ersetzten.
Ludwig Kainz in der Stube
Katharina Petzi, die Magd Philomena Rodler und Ludwig Kainz waren die letzten Bewohner des Hofes. Als Katharina dann 1982 stirbt, wird der Hof 1983 vom Zweckverband Niederbayerischer Freilichtmuseen erworben. Ludwig Kainz und Philomena Rodler wohnten auch zu dieser Zeit noch darin.
Übertragung des Hofes nach Finsterau
Das Haus wurde im Jahr 1985 übertragen. Vor dem Abbau wurden genaue Aufmaßpläne gemacht. Alles war schief und krumm und sollte dann auch beim Übertragen berücksichtigt werden. Danach wurden die Fenster und Türen ausgebaut und nummeriert und Schablonen von den Fensterleibungen genommen. In Finsterau wurde alles Stück für Stück wieder aufgebaut. Im Austragshaus und auch im Wohnhaus war teilweise verputzt. Auch dieser Putz sollte wieder so wie vorher hergestellt werden. Auch das war große Forschungsarbeit. Früher wurde Kalkmörtel verwendet. Jeder Hof hatte damals eine Kalkgrube auch auf dem Petzihof sollte so eine gewesen sein. Grundsätzlich wurde immer mit Baumaterialien gebaut, die man vor Ort auch vorfand. Deshalb im Bayerischen Wald oft mit Fichtenholz und Granitsteinen.
Abbau der Rauchkuchl und Übertragung in einem Stück
1987 wurde dann auch die Rauchkuchl des Hauses mit einem Gesamtgewicht von 36 Tonnen in einem Stück übertragen.
In der Hof Mitte befand sich immer der große Misthaufen, dieser war mit einer Gred (leicht erhöhter Bereich vor einem Haus) aus Granitplatten umgeben. Am Wohnhaus sind der Kuhstall, Hühnerstall, Schafstall und der Ochsenstall angebaut. Der wilde Wein rankt noch immer am Wohnhaus bis zum Giebel. Auch diese Pflanze durfte beim Abbau des Hofs mit nach Finsterau ziehen.
Die Ausstattung, die man aktuell im Hof finden kann, ist fast Original übernommen worden und erinnert an die 1930er Jahre.
Stube im Petzi Hof
Die Stube war damals der häufigste genutzte Raum. Dies war meist auch der einzige, der beheizt war. Der Herrgottswinkel und der Ofen waren immer entgegengesetzt. Die Decken waren eher niedrig gehalten, dass sich die Wärme gut halten kann. In der Stube am Petzihof gibt es zwei Tische. Am Tisch beim Herrgottswinkel aßen die Kinder und auch die Dienstboten. Der kleine Tisch war für den Bauern und die Bäuerin reserviert.
Neben der Stube liegt die Schlafkammer der Bauersleute. Die Schlafkammer der Kinder und der Dienstboten war im oberen Stockwerk.
Schöne Stube
Im oberen Stockwerk findet man die „Schöne Stube“. Hier sind die besten Möbel und die schönsten Erinnerungsstücke der Brautausstattung der Bäuerin und auch die Aussteuer der Töchter wurden hier aufbewahrt. So beispielsweise bestickte Weißwäsche, feines Leinen und Seidentücher. Jedes Bauernhaus besaß eine „schöne Stube“, diese wurde nur an besondere Gäste wie z.B. dem Pfarrer als Schlafzimmer vergeben. Ansonsten diente der Raum eher als Abstellkammer oder Vorratskammer.
Der Garten vor dem Petzi Hof
Im Garten vor dem Hof, sind noch Originalpflanzen vom Petzi Hof zu finden, die damals beim Abbau mitgenommen wurden.
Zum Hof gehörten Flurstücke mit Getreideböden, Wald und Wiesen.
Die alten Gemäuer des Petzi Hofs könnten uns wohl noch viele weitere spannende Dinge über die Bewohner und die damalige Zeit berichten.