Die Bundesliga der Borkenkäfer

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18.02.2018
Grafenau

Auf welchem Tabellenplatz rangiert der Buchdrucker in der Bundesliga der Borkenkäfer? Was hat ein Auerhuhn mit dem typischen Bayerwäldler gemeinsam? Wie wählen Käfer bei Germany´s Next Top Model ihre Gewinnerin? Und wie sieht ein Habitatmodell für den Dobernigl aus?

Mit derlei Fragestellungen beschäftigten sich Schülerinnen und Schüler des Landgraf-Leuchtenberg-Gymnasiums kürzlich im Rahmen eines gleichermaßen kurzweiligen, unterhaltsamen und äußerst informativen Vortrags von Professor Dr. Jörg Müller. Der Inhaber eines Lehrstuhls für Tierökologie und Tropenbiologie an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg war in seiner Funktion als stellvertretender Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald an die Schule gekommen, um sein Ressort „Naturschutz und Forschung“ vorzustellen. Anhand von ausgewählten Forschungsprojekten wurde den interessierten Zuhörern vor Augen geführt, welch diffizile ökologische Fragestellungen der Nationalpark Bayerischer Wald zu klären versucht. Professor Müller gelang es dabei, deutlich zu machen, dass auch Forschung im Ökosystem Wald in der heutigen Zeit den Einsatz modernster Technik ebenso braucht wie die globale Vernetzung. So sei es etwa nötig, bei der Untersuchung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Naturraum und Artenvielfalt mit Hilfe eines luftgetragenen Laserscannings eine 3D-Struktur des Waldes zu erstellen. Auch der Austausch mit Forschern weltweit sowie die globale Verteilung sogenannter „experimenteller Plots“ sei wesentlich. Als Beispiel dafür skizzierte Müller die Zusammenarbeit des Nationalparks mit der Carleton University in Ottawa oder die Erforschung von Buchenurwäldern im Iran.

Dass komplexe und wissenschaftliche Fragestellungen allerdings nicht ohne gewisse praktische Tätigkeiten gelöst werden können, wurde ebenfalls deutlich: so müsse man schon mal eine gewisse Menge an Kotproben des Auerhuhns sammeln, um etwa das Stresslevel zu ermitteln, dem diese Tiere ausgesetzt sind. Auch diverse Forstarbeiten seien gerade in der Untersuchung von Totholz eine durchaus fordernde körperliche Anstrengung, um zum Beispiel den richtigen „Umgang mit Fichtenwindwurf in der Management-Zone“ zu erproben.

Der stellvertretende Nationalparkleiter Dr. Jörg Müller fasziniert die Gymnasiasten mit seinem interessanten Vortrag.
Der stellvertretende Nationalparkleiter Dr. Jörg Müller fasziniert die Gymnasiasten mit seinem interessanten Vortrag.

Nach der fast zweistündigen Expedition in das Ökosystem Nationalpark war allen Anwesenden klar vor Augen geführt worden, dass modernste Forschungsarbeit nicht nur an den Universitäten und entsprechenden Forschungseinrichtungen in den Großstädten passiert, sondern sozusagen direkt vor unserer Haustür.

In dieser Hinsicht hatte der Vortrag von Professor Müller genau das Ziel erreicht, das sich die Organisatorin der Veranstaltung, Tanja Oswald, erhofft hatte. Im Rahmen eines Enrichment-Programms für besonders begabte und interessierte Schülerinnen und Schüler hatte sie sich als Mentorin vorgenommen, zu zeigen, dass Wissenschaft und Forschung sich auch mit einer geografischen Randlage durchaus in Einklang bringen lassen. Der Vortrag von Professor Dr. Müller war dabei der Auftakt zu  einer  kleinen Veranstaltungsreihe, die es den Gymnasiasten in Zusammenarbeit mit Institutionen vor Ort erlauben sollte, einen Blick über den Tellerrand hinaus zu werfen.

Bei der abschließenden Diskussion mit den Schülern kam unter anderem die Frage auf, wie sich derlei aufwändige Forschungsprojekte finanzieren würden. Dazu versicherte Herr Müller, es sei schwieriger, gute Leute zu kriegen, als ausreichend Geld. Vielleicht findet ja einer der anwesenden Jugendlichen einmal seine Berufung auf diesem Gebiet –  der lebhafte und anschauliche Vortrag von Jörg Müller war zweifellos die beste Werbung dafür.


- SB


Landgraf-Leuchtenberg Gymnasium GrafenauGrafenau


Quellenangaben

Landgraf-Leuchtenberg-Gymnasium Grafenau

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